| Edmund Husserl   
 Edmund Husserl 
        (1859-1938) 
        wurde am 8. April 1859 in Proßnitz (Mähren) geboren, studierte 
        zunächst in Leipzig Mathematik, Philosophie, Physik und Astronomie. 
        Er wechselte 1876 zunächst nach Berlin und anschließend nach 
        Wien. Hier wurde er, nachdem er bereits mit einer Dissertation in Mathematik 
        promoviert hatte, durch seinen Lehrer Franz Brentano für die Psychologie 
        und Philosophie begeistert. 1887 habilitierte er sich in Halle bei Carl 
        Stumpf mit einer Schrift "Über den Begriff der Zahl. Psychologische 
        Analysen", in denen die Psychologie als Ausgangspunkt der Mathematik 
        gesetzt wird.  Bis 1901 blieb er 
        Privatdozent an der dortigen Universität, an der er schließlich 
        seine "Logischen Untersuchungen" (1900/1901) verfaßte. 
        Mit dieser Arbeit entsagte er seiner bisherigen Überzeugung und befreite 
        sich damit vom Dogma des Psychologismus seiner Zeit. Dessen Bedeutung 
        hatte sich bisher auf die These gestützt, daß sowohl der Mensch 
        als auch seine Umwelt sich lediglich durch Empfindungen begreifen lasse. 
        Husserls Schrift traf indessen den Nerv des neuen Jahrhunderts und führte 
        schließlich zu einer Abkehr vom Psychologismus, der in seiner fatalen 
        Entwicklung zu einer Unmöglichkeit allgemeingültiger Aussagen 
        und damit zu relativistischen und solipsistischen Tendenzen innerhalb 
        der Forschung geführt hatte.  Die "Logischen 
        Untersuchungen" bildeten aber auch die Grundlage der von Husserl 
        entwickelten "phänomenologischen Methode", welche nicht 
        dem Erkennen des faktischen Seins dienen soll, sondern vielmehr die Natur 
        und die Gesetzmäßigkeit des Erkennens selbst ergründen 
        will. Die Phänomenologie ist demnach weniger eine philosophische 
        Richtung als vielmehr eine wissenschaftliche Verfahrensweise, mit der 
        jedoch, wie das Wirken seiner Schüler zeigte, die vielfältigsten 
        Themenbereiche und Fachgebiete durchdrungen werden können. Kategorisch 
        gefordert wird dabei eine Bewußtmachung alles Subjektiven und Individuellen 
        während der Betrachtung sowie die kritische Revision hergebrachter 
        Traditionen und Weltkonstrukte, von denen das Bewußtsein geläutert 
        werden muß. Erst anschließend sollen die Objekte gesichtet 
        und auf ihr Wesen hin geprüft werden.  1901 wurde Edmund 
        Husserl nach Göttingen berufen, fünf Jahre später erhielt 
        er den Status eines ordentlichen Professors. Schon bald nach seiner Ankunft 
        sammelte sich eine Schar von begeisterten Schülern aus aller Welt 
        um ihn, die sich u.a. in der Philosophischen Gesellschaft wie im Göttinger 
        Phänomenologenkreis zusammenschlossen. Edith Stein schildert in "Aus 
        dem Leben einer jüdischen Familie":  
        "Die Logischen 
          Untersuchungen' hatten vor allem dadurch Eindruck gemacht, daß 
          sie als eine radikale Abkehr vom kritischen Idealismus kantischer und 
          neukantischer Prägung erschienen. Man sah darin eine neue 
          Scholastik', weil der Blick sich vom Subjekt ab - und den Sachen zuwendete: 
          die Erkenntnis schien wieder ein Empfangen, das von den Dingen sein 
          Gesetz erhielt, nicht - wie im Kritizismus - ein Bestimmen, das den 
          Dingen sein Gesetz aufnötigte. Alle jungen Phänomenologen 
          waren entschiedene Realisten. Die Ideen' aber enthielten einige 
          Wendungen, die ganz danach klangen, als wollte ihr Meister zum Idealismus 
          zurücklenken <...> ein Weg, auf dem ihm seine alten Göttinger 
          Schüler zu seinem Schmerz und ihrem Schmerz nicht folgen konnten." 
          (Werke, Bd. VII, S. 219f.) Von seinen Anhängern 
        enttäuscht, die fast alle ihren eigenen phänomenologischen Weg 
        einschlugen, wechselte der Lehrer 1916 an die Universität Freiburg 
        und widmete sich dort seinen Studien, u.a. über die Intersubjektivität. 
        Verbittert hat ihn schließlich die Tatsache, daß sein ehemaliger 
        Protegé, Martin Heidegger, sich bald nach der Ernennung zu seinem 
        offiziellen Nachfolger im Jahre 1928 - menschlich wie inhaltlich - von 
        ihm abwandte.  Ab 1933 bekam auch 
        Edmund Husserl, der 1886 vom Judentum zum protestantischen Glauben konvertiert 
        war, die nationalsozialistische Rassengesetzgebung zu spüren, die 
        sein öffentliches Wirken fast unterband. Sein Tod am 26.4.1938 blieb 
        nahezu unbeachtet.  Edith Stein und 
        Edmund Husserl
 Edith Stein war 1913 
        nach Göttingen gekommen, um den Verfasser der "Logischen Untersuchungen" 
        kennenzulernen, die einen sehr tiefen Eindruck auf sie gemacht hatten. 
        Bis zu seinem Tod im Jahre 1938 schätzte sie ihn als einen großen 
        Intellektuellen, auch wenn ihre menschliche wie berufliche Beziehung schwierig 
        und für sie in vieler Hinsicht enttäuschend war. Edmund Husserls 
        Verhältnis zu seiner Schülerin war ambivalent. Zwar erkannte 
        er ihr wissenschaftliches Talent, doch konnte er seine Vorurteile gegenüber 
        akademischen Frauen nie überwinden.  Trotz seiner Zusage, 
        die Note summa cum laude qualifiziere sie zur Habilitation, boykottierte 
        Husserl alle Bemühungen Edith Steins um eine Hochschullaufbahn an 
        seiner Seite, selbst, als 1920 Frauen die venia legendi offiziell erteilt 
        werden durfte. Protegierende Maßnahmen, von denen etwa Roman Ingarden 
        oder Alexander Koyré profitierten, enthielt er ihr vor. Im Gefühl 
        tiefer Resignation schreibt sie am 11.11.1919 an Ingarden:  
        "Indessen 
          ist meine Arbeit in Göttingen vorschriftsmäßig eingereicht 
          und sehr unvorschriftsmäßig ohne Prüfung abgewiesen 
          worden. (...) Daß ich lieber auf die Habilitation verzichte, als 
          Husserl noch einmal darum angehe, können Sie sich wohl denken." Schon lange ist jener 
        hoffnungsvolle Enthusiasmus verflogen, der anklingt, als sie 1916 von 
        ihrem Lehrer zur ersten weiblichen Hochschulassistentin der Philosophie 
        in Deutschland ernannt wird. "Ich weiß nicht, wer von uns beiden 
        glücklicher war. Wir waren wie ein junges Paar im Augenblick der 
        Verlobung", heißt es in "Aus dem Leben einer jüdischen 
        Familie". Doch die Arbeit erwies sich schon bald als aufzehrend, 
        uferlos und höchst undankbar. Am 28.1.1917 schreibt sie an Ingarden:  
        "Die neueste 
          Prognose des Meisters für das Werden der Ideen; ich muß zunächst 
          so lange bei ihm bleiben, bis ich heirate; dann darf ich nur einen Mann 
          nehmen, der ebenfalls sein Assistent wird und die Kinder desgleichen. 
          Höchst infaust!"  Schließlich 
        revoltierte sie. Am 19.2.1918 heißt es in einem Brief an ihren Studienkollegen:  
        "Im Grunde 
          ist es der Gedanke, jemandem zur Verfügung zu stehen, den ich nicht 
          vertragen kann. Ich kann mich in den Dienst einer Sache stellen, und 
          ich kann einem Menschen allerhand zu Liebe tun, aber im Dienst eines 
          Menschen stehen, kurz gesagt: gehorchen, das kann ich nicht. Und wenn 
          Husserl sich nicht wieder daran gewöhnt, mich als Mitarbeiterin 
          an der Sache zu behandeln - wie ich unser Verhältnis immer angesehen 
          habe und er in der Theorie auch - so werden wir uns eben trennen müssen." Noch im selben Jahr 
        zog sie die Konsequenz und kündigte ihre Stelle, bot dem Lehrer jedoch 
        weiterhin ihre Hilfe auf privater Basis an. Trotz vieler gescheiterter 
        Hoffnungen und frustrierender Begebenheiten blieb sie ihrem Lehrer bis 
        an sein Lebensende in Hochachtung und Freundschaft verbunden. 
 
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