Die Elsterfrau

Sie saß schon in der Eisdiele. Sie rückte am Aschenbecher und putzte sich die Nase. Ihre Nase war riesig. Sie strich über den Tisch und griff nach der Eiskarte. Dann putzte sie sich wieder die Nase. Beim eifrig umherlaufenden Kellner bestellte sie Eis und Tee. Sie sah hinaus. Die Eisdiele hatte spiegelnde Scheiben und gläserne Spiegel. Als Eis und Tee auf ihrem Tisch standen, hängte sie ihre Nase hinein und kräuselte ihre Falten. In den Spiegeln war sie mehrfach zu sehen. Sie war schön, lächelte glücklich wie eine Elster. Tausendfaches Alter im Gesicht. Ihr Pullover war kanarienvogelgelb. Sie aß Eis in kleinen Häppchen und trank den Tee in kleinen Schlucken. Dann ordnete sie den Teebeutel, war allein, blieb ruhig, während der Eisverkauf ständig Hektik produzierte. Später orderte sie noch eine Portion Eis und einen weiteren Tee. Ihr gelber Pullover leuchtete dabei durch den spiegelnden Raum. Tausendfaches Gelb. Sie war weit innen an diesem strahlend sonnigen Tag. Dabei hatte sie etwas Aufforderndes. Zwei junge Männer, die hereinkamen, flirteten kurz mit ihr. Sie schlug ihre langen Wimpern auf und nieder, und die Spiegel lächelten kurz zurück.

(In: Du weckst die Nacht. Prosaminiaturen. Neuss 1994, S. 55)