Daaas Wort

Zigarettenqualm und Wortdunst über einer kleinen Gruppe am Tisch. Die redet, was auch sonst. Oder schweigen sie? Ambitiöse Blicke, stumpfe Blicke, manchmal feurig. Die Zuschauerin lehnt sich zurück, gehört dazu, redet mit, steht außen, betrachtet den Rededunst. Sie verknüpfen Worte zu Sätzen, Redelosigkeit zu Sprache, Austausch und wieder zurück. Ach, da war doch, weißt du noch, das, als du, wie wir zusammen, kannst du das, kennst du das, Fetzen von Sprache über die Tische. Ein Kommunikationsgeräusch umspannt die wartende Gruppe, ein Satzwort, ein Wortsatz. Das reicht, dieses Dauerwort, es braucht nicht ausgesprochen zu werden. Es ist ausgespannt, das phlegmatische Wort, das verbindet, an den Wänden ist es auf aufgehängten Nadelkissen festgepflockt, eine gemeinsame Gummihaut, ein Zeltdach, gedehnt zwischen den Nadeln, jetzt und immer wieder. Sie hängt mittendrin, mit im Wort, jetzt, sofort, gleich wieder und nachher und dann immer noch, und es bleibt in der Luft wie der Zigarettenduft. Dauerelastisch, überdauernd, gesichert und festgesteckt. Aber redet die kleine Runde oder schweigt sie, springen Worte zwischen ihnen hin und her oder tanzen sie jetzt, rund um den Tisch, ohne Ton? Ein Kater unter dem Tisch zieht seine Stiefel aus, kein gesprächiger Kater und inzwischen auch kein gestiefelter Kater mehr, sondern nackt, nur in sein Fell verkleidet. Das Wort, das dehnbare, streicht auch unter dem Tisch durch, aber es ist kein Redewort, es ist das gezogene Anwesenheitswort, kein Code, eine Gummiwand, auf Speichen aufgezogene Gummiwörter, die stinken rot angelaufen, wie ein Lampion über den Sprechenden hängt, kein Geräusch macht, aber dunstig durchdringt. Eine Wortseilschaft hängt am Tisch, keiner stürzt ab, sie ist mittendrin, und Wörter werden an Sätze gehängt und stecken zusammen. Sie sieht die Sätze, vielleicht können die anderen sie hören.

(In: Du weckst die Nacht. Prosaminiaturen. Neuss 1994, S. 39)