Monika Bunte

Texte von Monika Bunte

Offener Brief an Dorothee Sölle (2001)

Sehr geehrte Frau Sölle!

Ich lese Ihre Bücher gern, so auch das Buch "Zur Umkehr fähig".
Mir gefallen Sätze wie "Ich will das, was jetzt da ist, aufmerksam wahrnehmen, ich will aufmerksamer leben und will andere ermutigen, die eigene Wahrnehmung ernster zu nehmen. Die stärkste antimystische Macht ist die Trivialität." (lt. Lexikon Plattheit, Seichtheit, Alltäglichkeit).

Wieso ist Trivialität (nehmen wir es mal im Sinn von Alltäglichkeit) antimystisch? - Mystisches Leben findet gerade dort, im alltäglichen Leben statt. Mystische Erkenntnisse setzen eine Zurücknahme "äußerer" Freiheit und Vertiefung in die "innere" Freiheit voraus: ein Verbleiben in der Alltäglichkeit, um das, was jetzt ist, aufmerksam wahrzunehmen (s. o.).
Frauen, die sich aus Freiheit dafür entschieden haben, eine Gemeinschaft zu leiten, zu führen und zu versorgen (Hausfrauen), sind so gesehen urmystisch und nicht trivial.

Wieso sind es gerade die Frauen und Mütter die Religion/Transzendenz/Spiritualität am Leben erhalten und weitergeben? Doch wohl aus dem einen Grund, weil sie den Beruf haben, der die stärkste emotionale Offenheit fordert.

Aber Sie sehen das ja wohl anders, denn Sie schreiben: "Das ist eine der größten Gefahren im Leben von Frauen, dass sie in eine Trivialität hineingedrängt werden, also schon ganz früh etwa in die Trivialisierung der Hausfrauenexistenz, die Abrichtung dazu: "das Interessante ist eben nicht für dich. Da finde ich, dass das poetische Denken..."

Da mag ich überhaupt nicht weiterlesen. Ich finde, Ihr Beispiel ist schlecht gewählt. Sie sind zwar vorsichtig und setzen "etwa" in den Satz hinein und "ich glaube". Aber die Botschaft, die ankommt ist: Hausfrauenexistenz ist trivial, und zur Hausfrauenexistenz wird die Person abgerichtet. Und der Satz: "das Interessante ist eben nicht für dich" legt nahe, dass Kindererziehung und Altenbetreuung nicht interessant sind.

So etwas Herabsetzendes und Entmutigendes findet frau so schnell nicht wieder. Die Hausfrauen (Männer auch?), die die Familienarbeit für ihre Kinder leisten, finden ihre Arbeit nicht trivial und finden auch nicht, dass ihre Existenz einer Abrichtung gleichkommt.
Die Abrichtung liegt wohl mehr in den Augen derer, die definieren, was interessant ist: offenbar jedwede bezahlte Erwerbsarbeit, bei Männern und Frauen. Und interessant sind die Jobs im Erwerbsleben und diese sind weit weg von jeder Trivialisierung, weil sie bezahlt werden.

In meinem Verband, dhg - Verband der Familienfrauen und -männer, bemühen wir uns, für Jahre der Familienarbeit/häuslichen Kindererziehungsarbeit eine Bezahlung zu bekommen, damit die unbezahlte Arbeit nicht auch noch dazu führt, die Hausfrauenarbeit für besonders anfällig bezüglich Trivialität zu halten.

Ich füge einiges Material von meinem Verband bei und hoffe, dass Sie mir antworten.

Monika Bunte

Dorothee Sölle "Zur Umkehr fähig"
Grünewald-Verlag 1999, hier zu Seite 95 -

Bis heute hat Dorothee Sölle diesen Brief vom 17.10.01 nicht beantwortet.



Frauen-Wirtschaft - Männer-Wirtschaft

Zu diesem Thema lud die evangelische Akademie Iserlohn vom 26.6. - 28.6. 1992 ein. Über die Grundlagen einer feministischen Wirtschaftsethik wollten wir nachdenken. Doch was heißt schon feministisch?

Frau Rudolph, Professorin der TU Berlin, machte klipp und klar, daß Frauenfragen im Sinn von frauengerecht/frauenfreundlich/frauenpassend bei der Wirtschaftsethik nicht vorkommen. Die Frau kommt im Bereich der Wirtschaftswissenschaften überhaupt nicht vor: nicht auf der Ebene der Berühmtheiten und nicht in den Kernbereichen der theoretischen Diskussion. Die Theoriediskussion steht mit ihrem "homo oeconomicus" im Spielfeld des Androzentrismus, d.h. sie ist aus männlicher Sicht geprägt. In den Wirtschaftswissenschaften kommt auch keine Ebene vor, die Frauenfragen zum Thema hat. Die Frauenfrage bezüglich Familienarbeit kann schon deshalb nicht vorkommen, weil die Familie "privat" ist, weil nur Tauschbeziehungen am Markt als "wirtschaftlich" definiert werden, weil der homo oeconomicus Arbeit außerhalb des Produktionsbereichs gar nicht denken kann. Und was man nicht denken kann, gibt es auch nicht; darum auch die Schwierigkeiten, die Familienarbeit ins Sozialprodukt aufzunehmen.

Durch die Nicht-Thematisierung wird der Anspruchsargumentation die Basis entzogen. Außerdem sagen die Wissenschaftler, die Wirtschaftswissenschaft habe sich nur mit Sachaussagen auseinanderzusetzen und nicht mit Werturteilsfragen. Frauenfragen und Minderheitenfragen werden aber als Werturteilsfragen definiert und damit ausgegrenzt. Gleichzeitig werden in den Köpfen von Studenten Grenzen gezogen. Frauen, als bisher Randständige und daher weniger Deformierte, könnten, wenn sie jetzt in der Ökonomie arbeiten, neue Ansätze bringen.

Was aber wäre eine weibliche Sicht? Wird die häusliche Erziehungsarbeit als Arbeit angesehen? Und soll sie bezahlt werden? Das bleiben auch bei dem Selbstverständnis der überwiegenden Zahl der Teilnehmerinnen kontroverse Fragen. Aber vielleicht ist es uns dhg-Frauen gelungen, durch immer wiederkehrende Diskussionen (ohne zu nerven!) eine gewisse Nachdenklichkeit zu wecken.

Alternative Modelle sind oft mehr beschreibend als analysierend und oft nur auf Teilbereiche bezogen. Die faszinierende Schlüssigkeit des homo-oeconomicus-Modells fehlt, und deshalb können feministische Konzepte als patchwork-Ökonomie lächerlich gemacht werden. Um dieser Gefahr zu entgehen, und um trotz "Sorge"arbeit im Erwerbsleben mitentscheiden zu können, sei das Erwerbsleben umzustrukturieren. - Naja, das kennen wir ja.

Aus einem anderen Vortrag: Bedeutung des Geldes für die Frau: Herstellung von sozialen Beziehungen in Verbindung mit Gefühlen. Derzeit muß man und frau an die Öffentlichkeit, um durch Gelderwerb den Lebensunterhalt zu sichern. Ein feministisches Wirtschaftskonzept würde auch dem häuslichen Bereich Eigenständigkeit zumessen.

Ein anderes Referat wies im Zusammenhang mit der feministischen Ökonomie auf die Probleme der Länder der 3. Welt hin; darauf sagte Ursula Schüßler, auch dhg-Mitglied: "Wenn ich erst um mein Recht kämpfen darf, wenn ich die ganze Welt rette, dann kann ich gar nicht damit anfangen."

Gegenwärtig gilt die Re-produktion als das Unwesentliche, die Produktion gilt als alleinseligmachend und wesentlich. Eine feministische Wirtschaftsethik müßte meines Erachtens Geld und Leben verbinden.

Wie könnte eine feministische Wirtschaftsethik aussehen? Was "bezahlt" und "unbezahlt" geleistet wird, soll ganzheitlich/ungetrennt sein. Fortpflanzung und Erziehung sollen nicht Reproduktion sein, linguistisch gilt die Vorsilbe re als Bezug auf etwas Vorhergehendes, Primäres und in diesem Sinn ist der Begriff "Re-produktion" für Gebären und Kindergroßziehen falsch. Schwangerschaft und Geburt sind die Produktion im wahrsten Sinne des Wortes. Demgegenüber stimmt das übliche Verständnis von Produktion nicht, denn hier wird aus Vorhandenem (vorhergehendem/primären Material) etwas anderes gemacht und das ist: Verarbeitung von Vorhandenem. Damit ist die Willkür der Definition von Re-produktion und Produktion offensichtlich; vor allem eben Werturteil und nicht eine "richtige Sachaussage". Wenn schon mit diesen technisch/wirtschaftlichen Begriffen gearbeitet werden muß, dann sollte man eher von Primär-Produktion, statt von Re-Produktion sprechen.

Monika Bunte
(dhg-Rundschau, November1992, H. 4)


Eindrücke zur Ausstellung Frauen - Zeiten - Spuren (1998)

Die Netzwerk-Frauen trafen sich am Samstagnachmittag, 31.1.1998, um im Neanderthal Museum bei Düsseldorf die Sonderausstellung Frauen - Zeiten - Spuren zu besichtigen. Frau Dr. Bärbel Auffermann als stellvertretende Direktorin begrüßte die Runde. Vor allem Gisela Schulte-Dornberg erzählte aus der Arbeit in der Vorbereitungsgruppe und wie die Netzwerk-Frauen überhaupt in diese ExpertInnen-Runde hineingekommen waren.

Bemerkenswert: In der Vorbereitungsrunde zur Ausstellung waren es die teilnehmenden Männer, die habilitiert waren. Die Frauen waren es nicht, sie sind überwiegend freiberuflich tätig. Dadurch ergab sich in allen Gesprächen und Diskussionen eine Hierarchisierung, und sie war dauerhaft. Die beiden anwesenden Professoren vertraten Themenbereich und Standpunkt "Biologie", d.h. die biologischen Geschlechtsunterschiede waren und blieben ihnen wichtig. Dieser Aspekt, der eine Ausstellung zum Thema Mann und Frau sehr hätte prägen können, verlor dadurch an Gewicht, daß es letztlich bei der Sonderausstellung ausschließlich um die Frau und ihre Spuren in den Zeitabläufen ging. Aber in den Texten kommt der Aspekt "Biologie" doch immer wieder durch; die Beispiele bringe ich weiter unten.

Der Platz für die Sonderausstellung im Neanderthal Museum ist klein, und die Ausstellungsfirma Creamuse hatte alle Mühe, die Vitrinen - durch schwingende, sandfarbene Stoffbahnen verbunden - im Ausstellungsraum unterzubringen. Die Vitrinen sind drei Bereichen zugeordnet: Frauen in der Wirtschaft, Frauen in Religion und Kult, Frauen in Macht und Herrschaft. Die Widersprüche in der ExpertInnengruppe bleiben in allen drei Bereichen sichtbar und fallen auf bei den Lesetexten, am deutlichsten bei den Audiotexten. Der einführende Film im Auditorium2 ist von der Art, daß er die Intention der Ausstellung: "Frauen können alles - und zwar gleichzeitig" gewissermaßen konterkariert. [Gezeigt wurde der Film "Brainsex", ein populär- bzw. pseudo-Wissenschaftsfilm des Senders Pro Sieben. Nach der Kritik daran im Anschluß an das Netzwerk-Wochenende wurde er abgesetzt.]

Ich schreibe diesen Bericht im Anschluß an den Besuch. Ich orientiere mich an dem, was ich in der Ausstellung gelesen, gesehen und gehört habe ohne Berücksichtigung des Kataloges mit den heterogen zusammengesetzten Autorinnen und Autoren.

Am Beginn steht oder geht - wie könnte es anders sein - LUCY. Es ist bemerkenswert, daß die Laetoli-Spuren nicht als Vater-Mutter-Kind dargestellt sind. Ehrlicherweise steht da: man/frau weiß es nicht. Der weiterführende Begleittext heißt dann aber: "Die Aufzucht ihrer extrem hilfsbedürftigen Kinder konnten Lucy und ihre Schwestern wahrscheinlich nicht mehr allein bewältigen." (Mutter? Oma?? Tante???) "Die Unterstützung von Männern bei der Versorgung von Kindern (die bei Menschenaffen fehlt) war unerläßlich."

Zum Thema Hormone: "Die Aggressivität scheint neben sozialen auch mit hormonalen Unterschieden in Verbindung zu stehen. Mädchen sind quer durch alle Kulturen weniger aggressiv als Jungen". - Na ja.

Viel Platz wird - nach dem Sammeln und Jagen - dem Ackerbau gewidmet. Welche Berufe gibt es da? Welche Tätigkeiten? Welche Werkzeuge? Mir fiel auf, daß die Kinder fehlten. Im Text wurde zwar gesagt, daß die Frauen nicht mehr alle drei bis vier Jahre Kinder bekamen, sondern alle ein bis zwei Jahre, weil die Nahrungsmittelversorgung durch die planbaren Ernten reichlicher waren. Sind Ernten planbar? Waren sie das? Und hat es geklappt???

Aber auf den Bildern, die Frauen bei der Arbeit darstellen, fehlen die Kinder. Kinder machen offenbar keine Arbeit. Kinderaufziehen ist wohl an sich keine Arbeit. (Und dabei ist mein Ansatz heute: Familienarbeit ist Arbeit. Und das Aufziehen der Kinder ist die Basis der Wirtschaft. Und die geringe Beachtung der modernen Frau z. B. in der Politik, auf die die Sprecherin der Audiotexte eindringlich bis penetrant hinwies, hat ihren Untergrund in der Nichtbeachtung und Geringschätzung der Familienarbeit.)

Interessant: Die 2500 Jahre alten Tonringe aus Frauengräbern, z. B. aus Deckenpfronn in Württemberg, entliehen aus dem Landesmuseum Stuttgart. Sie lagen bei den weiblichen Skeletten in Beckenhöhe und gleichen in Form und Größe heutigen Pessaren zur Stützung des Uterus bei Gebärmuttervorfall. Eine zusätzliche Skizze in der Vitrine über die Position eines solchen Pessars wäre hilfreich.

Stichwort Religion: Ich finde es problematisch, aus 4000 Jahren ägyptischer Religion in ein-zwei Sätzen über die Göttin Hathor und ihre Priesterinnen einen Vergleich herzuleiten mit dem Göttinnenkult bei den Griechen, wo Frauen zum Blutopferdienst nicht zugelassen waren. (Auch in Griechenland gab es z. B. in Dodona andere Kulte.)

Zu den steinzeitlichen (Venus?-)Statuetten heißt es: "Über ihre Bedeutung ist viel spekuliert worden, aber keine der Interpretationen ist überzeugend." Das ist eine Generalisierung; denn ich meine, es gibt Interpretationen, die mich überzeugen. Aber leider teilt die Wissenschaft (welche eigentlich?) meine Überzeugung nicht.

Stichwort roter Teppich: Auf den letzten drei Metern der Ausstellung war ein Stück roter Teppich ausgerollt. Ein Projektor warf in Lichtsignalen die Namen von Frauen darauf, die politisch machtvoll waren und regierten oder regieren.

Der rote Teppich gefiel mir. Da bin ich darüber gegangen.

Fazit: Die Ausstellung hat Brüche. Doch ich bin froh, daß es die Ausstellung gibt. Vor 30 Jahren wäre sie noch nicht möglich gewesen. Ich hoffe, daß es höchstens drei Jahre dauert, bis es eine Ausstellung ohne Brüche gibt.

Monika Bunte


Der Herd - ein Ort weiblicher Stärke
Die Qualität des Feuers

Im Stall von Bethlehem muß es ein Feuer gegeben haben, sonst wäre es Maria, Josef und dem Jesuskind schlecht ergangen. Ich möchte in dieser Weihnachtsausgabe der Rundschau etwas von der Qualität des Feuers erzählen und von seiner Zähmung im Herd.

Daß das Feuer sich überhaupt zähmen ließ, brachte den Menschen die Überlegenheit den Tieren gegenüber. Sie fanden nun Schutz und Wärme in seinem Bannkreis; die Nahrung konnte anders zubereitet werden als zuvor, wenn auch in den Augen mancher Rohkostesser damit schon die Degenerierung des menschlichen Geschlechts beginnt.

Die Frau - Hüterin des Feuers
Schon seit undenklichen Zeiten ist die Frau die Hüterin des Feuers. Im abendländischen Kulturkreis ist eine deutliche Erinnerung bei den Vestalinnen in Rom zu finden. Sie sind Nachkommen eines uralten Ordens heiliger Frauen, die die öffentliche Feuerstelle und den Altar mit dem Ewigen Feuer versorgten, welches das mystische Herz des Römischen Reiches war. Beim Römischen Jahreswechsel wurde in allen Häusern das Herdfeuer gelöscht, und die neue Glut fürs neue Jahr durfte nur bei den Vestalinnen geholt werden. Die Griechen, von denen die Römer die Idee des Heiligen Feuers übernommen hatten, ließen die Kolonisten beim "Pflanzen" neuer Wohnplätze in Übersee heimische Erde und heimische Steine mitnehmen, damit flugs als erstes ein Herd gemauert werden konnte. Das machte die Fremde zur Heimat.

Von den Bewohnerinnen und Bewohnern von Lepenski Vir oberhalb der Donau im früheren Jugoslawien, wo es eine frauenzentrierte Kultur gab, wissen wir, daß sie die Gebeine ihrer Toten unter dem Herd in ihrer Behausung begruben. Die Religion, die Ahnenverehrung und die Wertschätzung des Herdes gehörten unmittelbar zusammen.

Der Herd - Lichtquelle und Wärmespender
Im Niedersächsischen Landesmuseum in Braunschweig las ich einmal folgende Beschriftung: "Lange Zeit war die Herdstelle im Niederdeutschen Hallenhaus nicht nur Kochstelle, sondern auch Lichtquelle und einziger Wärmespender. Sie galt im geistig-spirituellen Sinn als Zentrum des Hauses und hatte so eine besondere Bedeutung im Rechtsbrauchtum. So erhielten mündlich geschlossene Verträge erst durch gemeinsames Handauflegen auf den Kesselhaken Gültigkeit. Auch galt die Verlobung als vollzogen durch den dreimaligen Gang von Braut und Bräutigam um die Herdstelle."

Das Element Feuer
In Magazinen, die neue Modetrends vorstellen, kann man Artikel über Feng Shui finden, diese interessante Wasser-Wind-Botschaft aus China über feinstoffliche Energie. Nach der Feng Shui-Lehre steht Küche für Kreativität, Handlung und Aktivität. Derek Walter schreibt in "Die Kunst des Wohnens - Feng Shui" über das Element Feuer als eines der fünf chinesischen Elemente, es "soll den Intellekt repräsentieren. Einleuchtend ist, daß Herstellungsprozesse, bei denen Feuer und Schmelzöfen eine Rolle spielen, dem Element Feuer zugeordnet sind. Weniger unmittelbar einsichtig ist, daß dies auch für chemische Prozesse gilt. - Im Wohnhaus ist der Küchenherd der Platz des Elements Feuer."

Zurück an Heim und Herd?
Nach diesen Lobreden über Feuer und Herd ist es eigentlich unfaßbar, daß Feuer/Herd so herunterkommen konnten, daß die Formulierung "Zurück an Heim und Herd" das Letzte, das wirklich Allerletzte umreißt, was einer Frau zustoßen kann.

Vordergründig ist es erst einmal schlechtes Deutsch. Sprachlich korrekt müßte es zumindest heißen: "Zurück ins Heim und an den Herd". Aber das ist ja nur eine sprachliche Feinheit. Hintergründig geht es um viel mehr. Es gibt außer einer plumpen patriarchalen Heim- und Herd-Ideologie eine subtile Variante. Sie liegt auf der nämlichen Ebene wie die Schimpfworte dumme Gans, verrücktes Huhn, dusselige Kuh, schnaubender Drache. In der Pervertierung zu Schimpfworten wird die ursprüngliche Dynamik und heiligende Kraft der Ausgangsbegriffe kaputt gemacht. Die Gänse waren die heiligen, wachsamen Tiere der Göttin Juno - sie retteten das Capitol. In Ägypten säugt Hathor, die Mondscheibe zwischen dem Kuhgehörn, den Pharao. Ein König wurde nicht gesalbt, sondern gesäugt, das erst machte ihn zum Pharao.

Durch die Eingeweideschau bei Hühnern stellten römische Priester fest, ob ein ausgewählter Platz für die Anlage einer neuen Stadt geeignet war. - Und erst die Drachin! Energiebahnen werden seit alters her im Fernen Osten als Drachenlinien bezeichnet. Kein Mythos der Welt kommt ohne Drachin aus.

Ein Kübel Jauche
Irgendwann im Verlauf der Domestizierung der Frau ist es passiert, daß die ursprünglich göttlichen Attribute ihr wie ein Kübel Jauche über den Kopf geschüttet wurden. Die Frau merkte, daß sie stank und beteuerte selbst ihre Stinkigkeit. So ein Schicksal hat auch der Herd erfahren. Dieser Ort ursprünglich weiblicher Stärke verkam zu einem Ort weiblicher Rückständigkeit, und viele Frauen glauben das auch selbst. (Wir von der dhg ja wohl nicht.) Es entwickelte sich die Stabilität einer falschen Ordnung. Solche falschen Ordnungen können Jahrhunderte, gar Jahrtausende währen. Wenn der Konformitätsdruck hinreichend stark ist, wagt bald niemand mehr zu widersprechen. Sind sich ursprünglich vielleicht viele Frauen in heimlicher Opposition einig gewesen, daß der Herd ihre Potenz war und ist, so wird nun das Miesgemachte mit der Zeit unaussprechlich und in der Generationenfolge allmählich undenkbar, bis diese Herd-Potenz am Ende nicht mehr gedacht wird.

Das weibliche Energiefeld
Laßt uns wieder denken, neben allem Recht auf außerhäusliche Erwerbsarbeit, daß der Herd, selbst wenn ein Mann daran steht, ein Ort weiblicher Stärke ist. Niemand schildert das hinreißender als Angelika Aliti in ihrem Buch ‚Die wilde Frau': "Die Feuerstellen gelten als das Zentrum der Häuser. Das Haus jedoch ist der Bereich der Frau. Kein Ort, an den sie verbannt wurde, sondern ein Bereich, der ihr zu eigen ist, den sie geschaffen hat und nun in Ordnung hält, damit es ein belebter, ein lebendiger Platz sein kann, zu dem alle kommen, an dem alle gern bleiben... Es ist dieses Energiefeld, das sie schafft, welches ihr eine Macht und Potenz besonderer Art verleiht...Die das Feuer schürten, kannten seine reinigende und spirituelle Kraft. Sie beherrschten nicht nur dieses Element. Sie verbanden es auf die richtige Weise mit der Luft, dem Wasser und der Erde."

Laßt uns im Sinn von Potenz und Kreativität im neuen Jahr mit reinigender und spiritueller Kraft in rechter Weise die Elemente verbinden!

Monika Bunte

Fallbeil Vierzig
Der Wegfall der gesetzlichen Berufsunfähigkeitsrente

Eigentlich ist die Zahl Vierzig eine heilige Zahl mit der Bedeutung: Hälfte der Ewigkeit. Die Lemniskate als Zeichen für Unendlichkeit gleicht einer liegenden Acht. Die Hälfte der Acht ist die Vier, in der Reihung die Vierzig, also die halbe Ewigkeit. Ich möchte jetzt gerne einen ganzen Artikel darüber schreiben, wo die Zahl Vierzig als heilige Zahl herkommt.

Die Israeliten wandern beim Auszug aus Ägypten 40 Jahre durch die Wüste, bis sie im gelobten Land ankommen. Jesus fastet 40 Tage. Im Tibetanischen Totenbuch heißt es, die Seele braucht 40 Tage, bis sie sich ganz vom Körper und Erdendasein gelöst hat. - Einen letzten Rest der hohen Werteinschätzung für die Vierzig finden wir in unserem Grundgesetz darin, dass bei der Wahl des Bundespräsidenten (oder der Bundespräsidentin?) ein Alter von 40 Jahren vorgeschrieben ist. Aber ich will auf ein anderes Thema kommen:

Wer am 1.1.2001 noch keine 40 Jahre alt war, liegt unter dem Fallbeil der verlorenen staatlichen Berufsunfähigkeitsversicherung.
In meinem kleinen privaten Versicherungs-ABC hatte ich gelernt, dass auf zwei Versicherungen vor allen anderen zu achten sei: Absicherung der Berufsunfähigkeit und Absicherung bei Haftungsschäden. Weil Haftungsschäden so gravierend sein können, verpflichtet der Gesetzgeber die Autofahrer zur Haftpflichtversicherung.

Mit dem Beginn der Riester-Rente war klar, dass die Jüngeren für ihr Alter mehr vorsorgen müssen. Dass sie sich auch gegen das Risiko der Berufsunfähigkeit absichern müssen, ist bei vielen Jüngeren noch nicht recht im Bewusstsein und erst recht nicht im Portemonnaie angekommen. Die staatliche Sozialversicherung sichert nur noch das Risiko der "Erwerbsminderung" und zahlt (wenn überhaupt) maximal 30-35% des Bruttoeinkommens als "Erwerbsminderungsrente" (angenommenes Bruttoeinkommen = 3.000 EUR; netto je nach Familienstand ungefähr 1.800 EUR, Erwerbsminderungsrente knapp über 1.000 EUR. Die Angaben stammen aus der Broschüre einer Privatversicherung).

Damit es noch deutlicher wird: Das Bruttoeinkommen beträgt 2.000 EUR, die halbe Erwerbsminderungsrente (max. 20% vom Bruttoeinkommen) beträgt 400 EUR, hinzu kommt ein Erwerbseinkommen für sechs Stunden Beschäftigung, wahrscheinlich auf niedrigerem Niveau als zuvor. Die Differenz zwischen Erwerbsminderungsrente plus geringerem Nettoeinkommen muss durch eine private Berufsunfähigkeitsversicherung ausgeglichen werden.

Die Rentenreform 2000 bewirkt, dass die Beiträge weiterhin ungemindert an die gesetzlichen Sozialversicherungen zu leisten sind, dass ihnen aber nur noch reduzierte Leistungen gegenüberstehen.

Die volle (d.h. geringe) Erwerbsminderungsrente wird gezahlt, wenn weniger als drei Stunden bezahlte Erwerbsarbeit geleistet werden können. Die Erwerbsminderungsrente wird nicht gezahlt, wenn täglich sechs Stunden bezahlte Erwerbsarbeit möglich sind. (Merke: Das Einkommen für einen Achtstundentag wäre höher, aber wenn die Leistungsfähigkeit nur noch sechs Stunde beträgt, verdient man/frau eben weniger, ohne Ausgleich durch Erwerbsminderungsrente).
Die halbe Erwerbsminderungsrente, also maximal 18-20% des Bruttoeinkommens, erhält, wer zwischen drei und sechs Stunden bezahlte Erwerbsarbeit verrichten kann. Und jetzt kommt der Unterschied zwischen den am Stichtag Über-Vierzigjährigen und Unter-Vierzigjährigen: Die drei bis sechs Stunden Erwerbsarbeit gelten bei den Älteren für den bisherigen Beruf, in dem sie bis zuletzt tätig waren. - Bei den Jüngeren spielen Ausbildung und Qualifikation keine Rolle. Die "subjektive Zumutbarkeit" ist nicht zu beachten. Egal, in welcher evtl. schlecht bezahlten Tätigkeit sie, die Jüngeren, drei - sechs Stunden arbeiten können, sie können nur mit einer Erwerbsminderungsrente von max. 20% des Bruttoeinkommens rechnen.

Eine Vierzigjährige mit Bürotätigkeit, die für die nächsten 20 Jahre das Risiko der Berufsunfähigkeit wenigstens zum Teil mit einer Rente von 1.000 EUR monatlich absichern will, zahlt - völlig unabhängig von der Riester-Rente für die Altersversicherung - einige Dutzend Euro monatliche Prämie. Ein Berufskraftfahrer müsste wegen des höheren beruflichen Risikos eine höhere Prämie zahlen.

Dass es kaum "reine" Berufsunfähigkeitsversicherungen gibt, war das erste, was ich bei meinen Recherchen erfuhr. Die Versicherungen bieten gern eine Kombination mit Risikolebensversicherung oder Kapitallebensversicherung an.

Eine Bank formuliert das folgendermaßen: "Den Versicherungsschutz erhalten Sie quasi zum "Nulltarif", denn ein Teil Ihres Beitrages wird für den finanziellen Schutz im Falle einer Berufsunfähigkeit verwendet. Mit dem anderen Teil bauen Sie Kapital auf!"

Das große Jammern geht aber erst da los, wo die Versicherungen im Antrag nach Abfragen des Gesundheitszustandes anfangen, Risiken auszuschließen:

Wenn bereits Rückenprobleme da sind, schließt die Versicherung das Risiko der Berufsunfähigkeit im Zusammenhang mit Rückenproblemen aus. Wer bereits wegen psychischer Probleme in therapeutischer Behandlung ist, bekommt keine Berufsunfähigkeits-Rente, wenn die Berufsunfähigkeit auf psychische Belastung zurückzuführen sein sollte. Wer Diabetes beim Vertragsabschluss hat, bekommt keine Berufsunfähigkeits-Rente, wenn die Berufsunfähigkeit mit der Zuckerkrankheit zusammenhängt.

Dringend gewarnt wird in allen Merkblättern, die "Gesundheitsfragen" nicht ehrlich zu beantworten. Das würde die Versicherung bei Eintritt dieses Versicherungsfalles von allen Verpflichtungen entbinden, und die Beiträge bis dahin wären vergeblich bezahlt.

Merke: Versicherungen wollen nicht versichern, sondern sie wollen für ihre Aktionäre Geld verdienen, deshalb schließen sie Risiken aus. (Eine andere Variante ist der Risikozuschlag zum Monatsbeitrag, was aber seltener vorkommt).

Wenn das Parlament der privaten Versicherungswirtschaft ein Riesengeschäft zuschiebt, sollten dafür auch Bedingungen gemacht werden können, die den Ausschluss der Risiken unmöglich gemacht hätten. So aber ist für manche jungen Leute das Unglück vorprogrammiert. Warum gibt es nicht die Auflage, alle Jugendlichen nach Beendigung der Schulzeit/Ausbildung innerhalb eines befristeten Zeitraums ohne Rücksicht auf vorhandene Risiken in eine Berufsunfähigkeitsversicherung aufzunehmen?

Die Bundestagsabgeordneten haben ein miserables Gesetz gemacht, und der Bundespräsident hat es unterschrieben. In seinem Amtseid hat er geschworen "... die Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen ... Schaden von ihm wenden ... Gerechtigkeit gegen jedermann üben ..." - Mit diesem Gesetz ist Schaden vorhersehbar. Ich für meine Person bin der Meinung, dass das Gesetz wieder geändert werden muss.

Die Probleme des Erwerbs-Arbeitsmarktes und der geschönten Erwerbslosenstatistik wurden jahrelang der Rentenversicherung zugeschoben. Vor allem Ältere wurden über das Instrumentarium der Berufs-/Erwerbsunfähigkeit aus der Arbeitslosenstatistik hinausbugsiert. In einer großen Kehraus-Aktion wurden jetzt die Bedingungen für Jüngere gravierend schlecht gestaltet.

Ist dieses Problem eigentlich ein Thema für die dhg mit ihrem Schwerpunkt Soziale Sicherung für Familienarbeit?

Die Stiftung Warentest schreibt dazu (Nr. 8/2001): "Wer nichts verdient, hat im Fall von Berufsunfähigkeit trotzdem etwas zu verlieren ... Hausfrauen und Hausmänner arbeiten viel, ohne zu verdienen. Fielen sie aus, wäre das für die Familie teuer, weil eine Haushaltshilfe eingestellt werden müsste ... . Die meisten Anbieter versichern auch "Einkommenslose", oft aber nur bis zu einer Obergrenze von DM 2.000,-- Monatsrente. --- Gezahlt wird dann nur, wenn der Versicherte nicht mehr arbeiten kann."

Fazit: Das Risiko der Berufsunfähigkeit kann jeden treffen. Es kann nicht sein, dass der Versicherungswirtschaft das Recht überlassen wird zu entscheiden, wer in den Genuss der Absicherung durch eine Berufsunfähigkeitsversicherung kommt, und dass ein junger Mensch mit gesundheitlichen Problemen im schlimmsten Fall keine Absicherung erhält.

Die Rentenreform 2000 hat Leistungen gemindert. Bei der Berufsunfähigkeitsrente ist das bislang noch nicht so recht aufgefallen. Alle sind mit der "Riester-Rente" beschäftigt und starren auf die staatlichen Zuwendungen.

Das Fallbeil Berufsunfähigkeit mit der Risikoeinschränkung ist noch nicht im Bewusstsein angekommen, weil offenbar noch keine medienwirksamen Fälle eingetreten sind.

Ein Vorteil der Rentenreform soll sein, dass erwachsene Kinder nicht mehr in Anspruch genommen werden können, wenn Mutter oder Vater im Alter auf Hilfe zum Lebensunterhalt angewiesen sind. - Wenn erwachsene Kinder so um die Vierzig wegen Berufsunfähigkeit ohne Berufsunfähigkeitsrente (entweder der Risikoausschluss durch die Versicherung oder ganz ohne Berufsunfähigkeitsversicherung) in die Sozialhilfe geraten, bedeutet das dann, dass die Eltern wieder "dran" sind wegen der Unterhaltsverpflichtung in absteigender Linie? Dann wäre die Berufsunfähigkeit nicht nur ein Fallbeil für die "Unfähigen", sondern auch für die Eltern. Kann dieses Gesetz vor den Urteilen des Bundesverfassungsgerichts, das Verbesserungen für die Familien fordert, bestehen?

Wir sind am Erfahrungsaustausch unserer Mitglieder interessiert und bitten um Mitteilungen zu diesem Thema. Falls Sie einen Vertragsabschluss planen, empfehlen wir Ihnen, eine Versicherungsmaklerin aufzusuchen und auf deren fachliche Qualifikation zu achten.
Weitere Hinweise:
Verbraucherberatung

FINANZtest Spezial 11/2001
Finanztest 10/2001, 1/2002, 3/2002 u.a.
und im Internet unter: www.finanztest.de

Monika Bunte


Paradigmenwechsel und Neubewertung der Arbeit von (Familien-)Frauen

DIE ZENTRALISIERUNG fast aller Wirtschaftsbereiche ist weltweit nahezu abgeschlossen. Der letzte und volkswirtschaftlich größte Bereich, der wegen seines immensen Arbeitsbedarfs lange nicht zentralisiert werden konnte, ist die Hauswirtschaft. Es handelt sich in der Bundesrepublik im häuslichen Bereich um 96 Milliarden unbezahlte Arbeitsstunden. Dieser Zahl stehen im Erwerbsbereich 60 Milliarden bezahlte Arbeitsstunden gegenüber, d.h. das Verhältnis unbezahlt zu bezahlt ist 3:2. Die unbezahlten Arbeitsstunden werden überwiegend von Frauen erbracht.

All die zeitraubende Arbeit, die noch in meiner Kindheit in den einzelnen Haushalten und umweltverträglich geleistet wurde, wird heute weitgehend zentral in Fabriken energieaufwändig und umweltbelastend erledigt. Nahrungsmittel werden industriell produziert, haltbar gemacht, eingetütet, eingeschweißt und quer durch Europa zur Verbraucherin transportiert, die die Speisen nach wenigen Minuten aus der Mikrowelle holt.
Die Befreiung von einem Teil der Arbeit für Familie und Haushalt hängt zusammen mit einem exorbitanten Energieeinsatz, schon in Anbetracht der Transportwege. Deshalb ist es meiner Meinung nach fahrlässig, einen vollen Erwerbsarbeitsplatz für jeden Mann und jede Frau zu fordern und dabei die ökologische Frage zu vernachlässigen.

Auf die Forderung, die in diesem Zusammenhang immer wieder erhoben wird, für alle den Sechs-Stunden-Tag einzuführen, komme ich später zurück.

Ich habe bis hierher mehrere Male das Wort Arbeit verwendet. Im Allgemeinen wird seit der Industriellen Revolution vor gut 200 Jahren nur die bezahlte Erwerbsarbeit als Arbeit bezeichnet. Das Wort ArbeitsWELT suggeriert, dass das bisschen Erwerbsarbeit (3:2!) schon die ganze WELT ist. Ich nenne Ihnen einige andere Begriffe, die in aller Munde sind: Arbeitsmarkt, Arbeitsvertrag, Arbeitslosigkeit, Bündnis für Arbeit, Arbeitslosenstatistik, usw.

Ich möchte darauf hinweisen, dass wir nicht einen erweiterten Arbeitsbegriff brauchen, sondern, dass die Reduzierung des Arbeitsbegriffs auf bezahlte Erwerbsarbeit eine unzulässige und ignorante Verkürzung ist. Wenn der Arbeitsbegriff auf bezahlte Erwerbsarbeit verkürzt wird, liegt darin eine Ungerechtigkeit. Privat, in den eigenen vier Wänden mag durchaus die Meinung vorHERRschen, dass mit den Kindern in der Kinderstube Arbeit zu leisten sei. Aber diese private Meinung wird in der Öffentlichkeit vergessen, denn sie ist nicht die herrschende Meinung. Da bedarf es noch vieler Aufklärungsarbeit, und dieser Aufklärungsarbeit hat sich der dhg-Verband der Familienfrauen und -männer verschrieben.

Die Erfahrung und das Wissen, dass Familienarbeit Arbeit ist, sind seit Jahrhunderten nicht mehr präsent. Falsche Zuschreibungen können sich, wenn sie einer profitierenden Gruppe nutzen, Jahrhunderte halten. Der ignorierte Teil der Arbeit wurde mit der Zeit unaussprechlich und in der Generationenfolge sogar undenkbar. Meiner Meinung nach sind wir jetzt, im Jahr 2002, so weit, dass wir wieder denken können: Familienarbeit ist Arbeit.

Innerhalb des großen Komplexes Haus- und Familienarbeit beschränke ich mich nun auf einen Teilbereich, den ich im Folgenden verdeutliche: Für diesen Teilbereich fordere ich ein Entgelt: Das ist meine Utopie.
Die Familienarbeit wird gerne hinter Ausdrücken wie den folgenden zum Verschwinden gebracht: frau

· kümmert sich
· sorgt sich
· schaut nach den Kindern
· betreut
· widmet sich
· bleibt zu Hause
· kurz: sie arbeitet nicht.

Ihnen leuchtet sicher ein, wie sensibel wir mit Sprache umgehen müssen. Es genügt für eine frauenfreundliche Sprache nicht, die Endsilbe durch das große "I" zu erweitern. Sprache strukturiert unser Bewusstsein, und Sprache hat energetische Wirkungen. D.h. es werden durch Sprache Wirkungen auf unser Energiepotential ausgelöst, die stärken oder aber schwächen. Wenn eine Frau sich im Hinblick auf das Kindererziehen sagen lassen muss: sie arbeitet nicht, sie macht Pause (Babypause), sie macht Urlaub (wie es Familienministerin Bergmann kürzlich noch in einer Pressemeldung nannte, obwohl ihr eigenes Ministerium das Gesetz zur Elternzeit erarbeitet hatte), dann zieht das energetisch herunter; es entwertet.

Die Nichtachtung "weiblicher" Arbeit führt dazu, dass viele Frauen kinderlos bleiben, zur Zeit ein Drittel der Altersgruppe im gebärfähigen Alter, mit steigender Tendenz.

Dieses Drittel gliedert sich so auf:
20% der Hauptschul- und Realschulabgängerinnen
40% der Akademikerinnen
60% der Managerinnen
80% der Professorinnen
bleiben kinderlos.
5-10% der Ehen waren auch früher kinderlos, oft zu großem persönlichem Kummer.

Der Anteil der ungewollt Kinderlosen scheint zu steigen und bei 15-17% zu liegen. Daneben gibt es aber einen gleich hohen Anteil von Frauen und auch Männern, die Kinder bewusst aus ihrem Lebensplan ausschließen. Diese persönliche Entscheidung gegen Kinder ist zu respektieren, aber es muss klar sein, dass sie etwas kostet. Daran knüpfe ich an, wenn ich über meine Utopie spreche.
Jeder und jede hat die Leistung des Großgezogenwerdens in Anspruch genommen. Als Ausgleich dafür wird die Leistung weitergegeben, entweder an eigene Kinder oder als finanzieller Beitrag an die Kinder fremder Leute.

Man sagt immer, Eltern kriegen ein Kind, weil ihnen das Freude macht. Dazu genügt dann aber auch ein Kind. Und so haben wir neben dem Drittel Kinderloser ein zweites Drittel mit nur einem Kind. Erst im Dritten Drittel der Ehen oder Partnerschaften gibt es zwei Kinder und eventuell sogar drei.
Sechste Kinder, so wie ich eins bin, kommen statistisch nicht mehr vor. Diese wenigen Zahlen zeigen das demographische Fiasko. Mit diesen Geburtenzahlen gelingt etwas Wichtiges nicht: nämlich der Einstieg in die Zukunft. Die ist ohne die Leistungen der Familie (der Eltern und der allein Erziehenden) nicht möglich. Denn in der Familie wird heute zu 90% das erwirtschaftet, was die Ökonomen "Humanvermögen" nennen. Für dessen Erforschung bekam der US-Amerikaner Gary Becker vor gut zehn Jahren den Nobelpreis in Wirtschaftswissenschaften. Ohne dieses Humanvermögen kommt auch die Gesellschaft von morgen nicht aus: emotionale Intelligenz, soziales Bewusstsein, Solidaritätsempfinden, Konfliktlösungsbereitschaft - an all dem mangelt es heute schon. Wie wird eine solch defizitäre Gesellschaft sich entwickeln?

Eines ist sicher: Familienarbeit ist globalisierungsresistent. Die Arbeit wandert nicht aus. Sie bleibt da, wo Familie ist. Drei Kinder schaffen zwei Erwerbsarbeitsplätze: Das ist ein statistischer Durchschnittswert. Auch das ist ein Grund, die Vorschläge für ein Entgelt für Familienarbeit ernsthaft zu diskutieren.
In dem Maße, wie das Berufsbild "Mutter" sich verknappt - und das ist jetzt ein marktwirtschaftliches Gesetz -, rückt es ins Bewusstsein und wird plötzlich teuer. Deshalb muss dieses Berufsbild jetzt bezahlt werden. Ein Entgelt für die Familienarbeit: das ist meine Utopie.
Ich fange mit den Einwänden dagegen an: Dann kriegen ja alle was, die Bequemen, die wenig tun, und die Zahnarztgemahlsgattin, die es nicht nötig hat.
Ich schließe mich hier mit meiner Argumentation Donna Leon an. In ihrem Krimi "Nobilita" lässt sie Kommissar Brunetti denken:

"Ihm fiel ein, was Paola einmal gesagt hatte: ... immer, wenn Leute unredlich argumentieren wollen, hatte sie gesagt, tischen sie ein so überzeugendes Beispiel auf, dass man unmöglich etwas dagegen halten kann. Aber so zwingend der Einzelfall auch ist, das Gesetz hat sich an Grundsätzen und Allgemeingültigkeit zu orientieren. Einzelfälle können als Beweis nur für sich selbst und für nichts anderes dienen."

So weit der Gedanke aus dem Kriminalroman. Zu bedenken ist außerdem, dass es Unfähige und Faule in jedem Beruf gibt.
Der zweite Einwand: Rollenfestschreibung (O-Ton Deutscher Frauenrat, konfessionelle Verbände landauf, landab, Hausfrauenbund). Ein Erziehungsgehalt hält Frauen von der allein selig machenden und alterssichernden Erwerbsarbeit ab. Es ist ja nicht die Rolle, die schlecht ist, sondern es sind die Bedingungen, unter denen diese Rolle praktiziert werden muss. Eigenartigerweise tauchte das Stichwort "Rollenfestschreibung" bei der Einführung der Pflegeversicherungen nicht auf, obwohl da Beiträge zur Sozialversicherung gezahlt werden, und obwohl da auch Geld fließt, wenn auch nicht direkt in die Hände der pflegenden Person. Im Hinblick auf die Alternative häusliche Pflege oder Altersheim war wahrscheinlich allen FunktionärInnen der Blick auf das eigene häusliche Gepflegtwerden wichtig, und sie setzten die Rollenfestschreibung hintenan, obwohl sie wahrscheinlich stattfindet.
Im Zusammenhang mit meiner Utopie möchte ich Sie bitten, zur Kenntnis zu nehmen, was die neue Hirnforschung über die Entwicklung des kindlichen Gehirns sagt: Ein Kind sollte in den ersten drei Lebensjahren ohne Not nicht in fremde Hände gegeben werden. Es ist wichtig, Zeit für das Kind zu haben, damit die Bindungsfähigkeit wachsen kann. Wechselnde Bezugspersonen verwirren, und Kinder merken, wenn sie nur noch ein "Betreuungsproblem" sind.
Allerdings muss ich hier auch einen Blick auf die Zufriedenheit bzw. Unzufriedenheit der Mutter werfen. Eine zufriedenen Familienfrau ist gut fürs Kind, eine unzufriedene, womöglich unglückliche Mutter ist es nicht.
Hier möchte ich eine wichtige Bemerkung machen: Wenn Fragen anders als üblich gestellt werden, fallen die Antworten auch anders aus. Die Frage ist daher: Warum ist die Mutter, die bei einem kleinen Kind die Familienarbeit leistet, oft unzufrieden? Ist sie unzufrieden, weil sie nicht bei Aldi an der Kasse sitzt oder bei der Sparkasse hinter der Theke steht oder ist sie unzufrieden, weil sie mit der Geburt des Kindes das eigene Geld und die Eigenständigkeit verliert und vom Ehemann/Partner/Sozialamt abhängig wird?
Sie bekommt einfach kein Geld mehr, sie hat - gemäß ehelichem Güterrecht - nur noch Anspruch auf Taschengeld und Unterhalt, obwohl sie arbeitet wie zu kaum einer anderen Zeit ihres Lebens.
Lebt sie allein erziehend mit Kind oder Kindern - deshalb in einer kleinen Wohnung, weil das so schön ist oder weil der Einkommensüberhang der Leute ohne Unterhaltsverpflichtung die Familie vom Wohnungsmarkt verdrängt?
Die herrschende Wohnungsbaupolitik sagt: Familien brauchen billige Wohnungen, also müssen Wohnungen stark subventioniert werden. Stattdessen könnte die Lösung heißen: Die Familienarbeiterin braucht Geld für Familienarbeit.

An dieser Stelle sei gesagt, dass die Forderung des dhg-Verbandes der Familienfrauen und
-männer die weitestgehende ist von allen inzwischen zahlreichen Modellen, die sich mit einem Entgelt für Familienarbeit beschäftigen. Für eine Reihe von Jahren orientieren wir uns am sozialversicherungspflichtigen Durchschnittseinkommen, steuer- und sozialabgabenpflichtig, und zwar ab dem ersten Kind. Dann erst gibt es wirkliche Wahlfreiheit und Gleichberechtigung. Wahlfreiheit gehört zur Menschenwürde, und daran ermangelt es, aber hoffentlich nicht mehr lange.
Unter den zahlreichen Modellen gibt es eines, das besonders gut durchgerechnet ist. Ich verweise bezüglich Finanzbedarfs auf dieses Modell, auch wenn es hinter unserer Forderung zurück bleibt. Das Gutachten des Arbeitskreises für Familienhilfe von Leipert/Opielka hat erbracht, dass ein Entgelt für Erziehungsarbeit nicht an den Finanzen zu scheitern braucht. Der Unterschied zwischen Utopie und Realität ist der politische Wille.

Ich möchte noch auf das Stichwort "Sechs-Stunden-Tag für alle" vom Beginn des Vortrages zurück kommen. Dazu ist zu sagen, dass diese Forderung seit dreißig Jahren gebetsmühlenartig erhoben wird, zusammen mit der Forderung, dass Männer die Hälfte der Haus- und Familienarbeit übernehmen sollen. Welche Ergebnisse haben die dreißig Jahre gebracht? ... Spurenelemente.
Ich setze dagegen die Forderung, die Familienarbeit zu bezahlen und das einmal dreißig Jahre lang auszuprobieren. Wahrscheinlich ist die Familienarbeit dann sogar für Männer interessant.

Bei Wahlfreiheit gäbe es Frauen, die kontinuierlich im Erwerb bleiben und kontinuierlich Karriere machen. Oder sie machen keine Karriere und bleiben zwanzig Jahre im Supermarkt an der Kasse. Das heißt, sie sind zwar in bezahlter Arbeit, haben aber null "Karriere".
Bei Wahlfreiheit gäbe es aber auch Frauen, die die Erwerbsarbeit aufgeben (von Teilzeitjobs mal abgesehen) und die nach acht oder zehn oder zwanzig Jahren wieder in den Erwerbsberuf einsteigen.

Da heißt es bislang: Der Zug ist abgefahren, Anschluss verpasst. Ich habe zwei schöne Gegenbeispiele dazu: Ein examinierter Lehrer durfte dreiundzwanzig Jahre nicht an einer Schule unterrichten, weil ihm das wegen des damals geltenden Radikalerlasses verwehrt wurde. Er zog von Gericht zu Gericht und siehe da, mit Beendigung des Ost-West-Konfliktes und einsetzender Lehrerknappheit kam er nach dreiundzwanzig Jahren wieder in sein Berufsfeld. Von Kompetenzverlust war nicht die Rede, im Gegenteil, er hatte einen Kleintransporter und einen Gewerbeschein als Spediteur, und das wurde ihm als Kompetenzzuwachs angerechnet.

Das ist ein Beispiel, das ich nach Donna Leons Krimi eigentlich nicht verwenden darf, weil es unter den Einwand "Einzelfall!" fällt. Aber das nächste Beispiel muss nun wirklich für meine Utopie herhalten. Überschrift: Die Bundeswehr oder: was Vater Staat für seine Jungs tut, wenn sie als Zeitsoldaten gedient haben. Die Bundeswehr bereitet Zeitsoldaten auf ein Leben nach der Kaserne vor. Ein Personalberater organisiert die Berufseinstiegsseminare für ausscheidende Offiziere. Auch die einfachen Zeitsoldaten werden betreut. In Bundeswehrfachschulen können sie sich in Kursen u.a. für eine Laufbahn im öffentlichen Dienst qualifizieren. Traineeprogramme werden angeboten. Ein fünfstelliger Betrag steht für Fortbildungsprogramme pro Person zur Verfügung. Was für Soldaten recht ist, sollte für Mütter billig sein! Zum Paradigmenwechsel würde auch gehören, dass es an allen allgemein bildenden Schulen ein Unterrichtsfach "Soziales Management" gibt, und zwar für Jungen und Mädchen, um Haushaltsführungskompetenzen zu erwerben.

Und zuletzt: von der Bezahlung weg noch einmal zur Bewertung: Ich weiß nicht, was Sie über Tauschringe wissen. Es ist eine schnell wachsende Bewegung der letzten Jahre, besonders im Osten Deutschlands. In den Tauschringen wird Stunde gegen Stunde getauscht oder, wenn eine Kunstwährung zur Hilfe genommen wird, Talent gegen Talent. Eine Stunde Haus- und Familienarbeit gegen eine Stunde Steuererklärung.
In den Tauschringen findet die Haus- und Familienarbeit die gleiche Bewertung wie alle anderen Tätigkeiten im Angebot. Zu meiner Utopie gehört, dass dies auch auf dem Arbeitsmarkt Realität wird.

Monika Bunte


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Bearbeitet von ulrikee am 08.02.2004