"Meine Mutter, die Hex" von Hanns Heinz
Ewers
"Du weißt natürlich, so gut wie ich, von dem erstaunlichen
Zauber, der von unserer Mutter ausgeht und dem sich nicht so leicht
jemand entziehen kann. Jedes Kind in der Stadt kennt sie, so gut wie
jeder Erwachsene. Wenn sie morgens mit ihrem Stocke ausgeht, so steht
ganz gewiß an jeder Straßenecke irgendein weibliches oder
männliches Wesen, das sie über den Fahrdamm hinüber
führt und wohl achtgibt, daß nicht ein Auto, ein Fahrrad,
eine Trambahn ihr zu nahe kommt. [...] Ich sage Dir, lieber Bruder,
daß unsere Mutter mit allen wilden Ausgeburten der Phantasie
der Gotik auf du und du steht. Sie hat eine große Vorliebe für
Fabelwesen aller Art, seltsame Mischungen von Mensch und Tier, ob
diese nun ägyptischer oder assyrischer, chinesischer oder indischer
Herkunft sind. Aber alles, was gothisch ist, scheint ihr doch am meisten
zuzusagen. Sie hat ganze Mappen mit Abbildungen, Stichen, Drucken
und Photos, was immer es ist, die sie gelegentlich einmal betrachtet
und recht gerne zeigt; sie freut sich sehr, wenn ihr jemand eine neues
Blatt bringt." (1923) |