„Auch das Morgengebet der Hebräer
beobachtete ich […]. Wenn man das so in der Nähe sieht,
fragt man sich wie es möglich ist, sich um dieser Formen willen
zu hassen oder zu verachten, da ja alle dem Grundgedanken entsprungen
sind die Seele reiner und höher zu stimmen. Aber allerdings
fragt man sich auch, ob denn eine Form besser sei als die andere.
Kniet nicht der Katholik wie der Mohammedaner? Liest nicht der Protestant
wie der Hebräer? Ist nicht die Kniebeugung wie Gebet- oder
Gesangsbuch Ausdruck der nämlichen Andacht, dem nämlichen
Gott zugewendet? Wir können wohl finden, daß eine Form
mehr als die andre grade unserer eigentümlichen Innerlichkeit
entspricht, und daher für uns die wahre ist; allein ob sie
vor Gott die einzigwahre, ist doch wohl mehr wie zweifelhaft.“
(aus: „Orientalische Briefe“ <1844>,
hrsg. und Vorw. von Gabriele Habinger, Wien 1991, S.22f (Brief aus
Konstantinopel vom 7.9.1843)
„Ich bin im Gebiet und unter dem
Gebot des Islam. Ich bin hergekommen ohne Vorurteil für oder
gegen ihn: ich bemitleide nicht den Mohammedaner um seines Glaubens
willen, und ich bewundere ihn nicht. Es ist sein Gesetz, das sein
Prophet ihm gebracht: das scheint mir kein Grund weder für
Verehrung noch für Verabscheuung.“
(aus: „Orientalische Briefe“ <1844>,
hrsg. und Vorw. von Gabriele Habinger, Wien 1991, S.57f. (Brief
aus Konstantinopel vom 16.9.1843)
„Am liebsten hätte ich <die
Frauen im Harem von Rifát Pascha> gefragt: 'Aber vergeht
ihr denn nicht vor Langeweile in Eurer einförmigen Abgeschiedenheit,
die Euch aller Teilnahme an dem Leben Eures Gatten beraubt? Ihr
kennt nicht seine Freunde noch Feinde, nicht seinen Wirkungskreis,
nicht seine Beschäftigungen, überhaupt nicht die Welt
und die Verhältnisse in denen er lebt. Nichts teilt er mit
Euch, und Ihr müßt ihn selbst mit Euren Sklavinnen teilen;
- seid Ihr denn nicht einer so herabwürdigenden Existenz zum
Sterben überdrüssig?’ - Vermutlich würden sie
mir Nein! geantwortet haben, denn das Leben im Gleis uralter herkömmlicher
Gewohnheit ist auch ein Leben.“
(aus: „Orientalische Briefe“ <1844>,
hrsg. und Vorw. von Gabriele Habinger, Wien 1991, S.82 (Brief aus
Konstantinopel vom 22.9.1843)
„Für unsereins, auferzogen
in unsrer zeremoniösen europäischen Gesellschaft, wo kein
Mensch mit dem andern spricht bevor er nicht wenigstens dessen Namen,
noch lieber Herkunft, Stand, Ahnentafel kennt, ist es unbeschreiblich
angenehm fremd in ein fremdes Haus zu treten und empfangen zu werden,
als sei man ein erwarteter Gast.“
(aus: „Orientalische Briefe“ <1844>,
hrsg. und Vorw. von Gabriele Habinger, Wien 1991, S.100 (Brief aus
Smyrna vom 29.9.1843)
„'Willst du denn, daß die
Frauen das Regiment führen?’ fragte Adele. 'Nein, ich
will nur, daß die Männer mit ihnen umgehen wie mit ihresgleichen
und nicht wie mit erkauften Sklavinnen, denen man in übler
Laune den Fuß auf den Nacken stellt und in guter Laune ein
Halsband oder ähnlichen Plunder hinwirft. Das demoralisiert
die Frauen, es stumpft ihr Zartgefühl ab. Heut lassen sie sich
eine Brutalität gefallen, um dafür morgen einen neuen
Hut zu bekommen.’“
(aus: „Gräfin Faustine“ <1841>,
Bonn 1986, S. 50)
„'Gott’, rief Faustine,
'wie komisch sind die Männer! ganz ernsthaft bilden sie sich
ein, der liebe Gott habe unser Geschlecht geschaffen, um das ihre
zu bedienen! […] Der gute Gott schuf nicht das Lamm, damit
der Wolf es fresse; und nicht die Fliege, damit der Vogel sie erschnappe
- sondern Lamm und Fliege, weil sie in seine Schöpfung gehören
und auch ihre Lust am Leben haben sollen.’“
(aus: „Gräfin Faustine“ <1844>,
Bonn 1986, S. 49)
(zusammengestellt von Eileen Simonow)
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