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Gedanken und Einfälle kreativer Frauen

Annette Kolb

3. 2. 1870 – 3. 12. 1967
deutsch-französische Erzählerin, Essayistin, Biographin
„Je hübscher wir waren, desto incompriser durften wir dann sein, desto eifriger erklärten andere Männer sich bereit, uns für unergründlich halten zu wollen und zu ergründen. Und dabei brauchten wir weiter garnichts zu tun, als zu bescheinigen, was sie in uns hineinlegten, und uns für rein nichts zu interessieren, als für das Interesse, das wir hervorriefen. Es war so furchtbar nett!“
(aus: „Der unverstandene Mann“, in: Annette Kolb: „Wege und Umwege“, Leipzig 1914, S. 307)

 

„In den Köpfen der Mädchen wurde ja die Leere prinzipiell gezüchtet, und durch das bißchen Geographie und Klavier der bedauerlichen Tatsache ihres Nichtbeschäftigtseins nur noch mehr Nachdruck verliehen.“
(aus: „Alarmglöckchen“, in: Annette Kolb: „Wege und Umwege“, Leipzig 1914, S. 293)

 

„Also solche junge Männer[…]sehen auf den ersten Blick mit nichten wie die ausgemachten Narren aus, die sie doch sind. Oft manierlich und gut gekleidet […], können sie sogar durch eine gewisse sterile Urteilsschärfe in belanglosen Dingen, eine scheinbare Kompetenz in nichtssagenden Details über ihren vollkommenen Mangel an Verständnis recht glücklich hinwegtäuschen.“
(aus: „Torschlusstypen“, in: Annette Kolb: „Wege und Umwege“, Leipzig 1914, S. 301)

 

„Du weißt: ich hatte mich von meinen deutschen Landsleuten dadurch vielfach unterschieden, daß ich immer so stolz darauf war, ihnen anzugehören, und daß ich im Ausland mit der aufgezogenen Fahne meines Deutschtums so begeistert herumging. Aber du hast auch gehört, wie unermüdlich ich ihnen zurief: Die Verschmelzung Eurer Wesensart mit der Eurer westlichen Brüder ist für das Heil Europas unerläßlich und die Stunde für eine Anleihe ihrer Qualitäten hat geschlagen. Denn nicht eher seid Ihr die Berufenen. Jawohl! Ich weiß es schon, Ihr seid gründlicher, männlicher, Euer Geist ist weiter ausgebuchtet. Aber Ihr seid die politisch Ungeschulten, die Unpolitischen par excellence. Ihr versteht es nicht, mit den Franzosen auszukommen, was noch alle anderen Nationen fertig brachten.“
(aus: Annette Kolb: „Briefe einer Deutsch-Französin“, Berlin 1916, S. 20/21)

 

„Die meisten Deutschen sind ja, was die Franzosen anbelangt, von einer Oberflächlichkeit, die sonst gar nicht in ihrem Charakter liegt; dafür wird im gegebenen Fall die Oberflächlichkeit mit entsprechender Gründlichkeit betrieben[…].“
(aus: Annette Kolb: „Briefe einer Deutsch-Französin“, Berlin 1916, S. 127)

 

„Aber je tiefer nach Frankreich hinein der Boden von den Schritten der als Feinde vordringenden Deutschen erdröhnte, je fremder, je verbannter fing ich an mich unter ihnen zu fühlen.“
(aus: Annette Kolb: „Briefe einer Deutsch-Französin“, Berlin 1916, S. 129)

 

„Nur indem ich heute in Deutschland auch die französische Fahne hochhielt, gab ich außerdem die Gewähr, wie unverbrüchlich treu ich heute in Frankreich zu der deutschen stünde.“
(aus: Annette Kolb: „Briefe einer Deutsch-Französin“, Berlin 1916, S. 130)

 

„Darf die menschliche Ehre ein Angriffsobjekt im Kriege sein, dürfen Schauermärchen hüben und drüben die Bestie im Menschen erwecken, so daß der Glaube an die Menschheit versinkt?[…]Kulturnationen! Es ist eine Pflicht gegen uns selbst, diesem selbstmörderischen Treiben ein Ende zu machen und ehrlich zu prüfen, was Lüge, was Wahrheit ist.“
(aus: „Die Internationale Rundschau und der Krieg. (Ein unpolitischer Vortrag gesprochen zu Dresden am 15. Januar 1915), in: Annette Kolb: „Briefe einer Deutsch-Französin“, Berlin 1916, S. 133)

 

„Nicht, daß man die schreckliche Vergangenheit vergaß, aber hier wie überall wollten die Menschen sich wieder freuen, wieder hoffen. Der Völkerbund schien eine Garantie des Friedens.[…]Allein, es war keine Zeit, es war eine trügerische Zwischenzeit. Was sich bereitete, war eine Hölle in Deutschland. Es war das rätselhafteste, das die christliche Welt jemals überkam.“
(aus: „Nach dem ersten Weltkrieg“, in: Annette Kolb: „1907-1964. Zeitbilder“, Frankfurt a. M. 1964, S. 198)

 

„Hier aber fühlte man sich so ungefährdet. Merkwürdig, wie man das fühlt, dachte ich. Denn nichts lassen sich sehr junge Menschen schneller suggerieren als den Glauben an die Ungefährlichkeit aller Dinge: ja in ihrer bereitwilligen Unerschrockenheit liegt etwas, das sie sozusagen an den Rand der Welt hinaus verweist, als gehörten sie infolge ihrer Unerfahrenheit nicht ganz in sie hinein.“
(aus: „Spitzbögen“<1925>, in: Annette Kolb: „Blätter in den Wind“, Frankfurt a. M. 1954, S. 33)

 

„Denn von der geistig besitzlosen Klasse wird das Recht auf eigene Meinung, so wir eine haben, am längsten angezweifelt und bekämpft; daher einem jungen Fräulein Niemand die beste Gelegenheit geboten wird, zur Menschenkennerin heranzureifen.“
(aus: „Spitzbögen“<1925>, in: Annette Kolb: „Blätter in den Wind“, Frankfurt a. M. 1954, S. 68)

 

„Ich bin nie eine Frauenrechtlerin gewesen und dieser Bewegung gegenüber stets passiv geblieben; aber ich muß schon sagen: daß nach vielen Dezennien eines ausschließlichen Männerregiments ein derartig vollendeter Wirrwarr zutage gefördert wurde, gibt doch zu denken.“
(aus: Annette Kolb: „Briefe einer Deutsch-Französin“, Berlin 1916, S. 88)

 

(zusammengestellt von Eileen Simonow)

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