„Je hübscher wir waren, desto
incompriser durften wir dann sein, desto eifriger erklärten andere
Männer sich bereit, uns für unergründlich halten zu
wollen und zu ergründen. Und dabei brauchten wir weiter garnichts
zu tun, als zu bescheinigen, was sie in uns hineinlegten, und uns
für rein nichts zu interessieren, als für das Interesse,
das wir hervorriefen. Es war so furchtbar nett!“
(aus: „Der unverstandene Mann“, in:
Annette Kolb: „Wege und Umwege“, Leipzig 1914, S. 307)
„In den Köpfen der Mädchen
wurde ja die Leere prinzipiell gezüchtet, und durch das bißchen
Geographie und Klavier der bedauerlichen Tatsache ihres Nichtbeschäftigtseins
nur noch mehr Nachdruck verliehen.“
(aus: „Alarmglöckchen“, in:
Annette Kolb: „Wege und Umwege“, Leipzig 1914, S. 293)
„Also solche junge Männer[…]sehen
auf den ersten Blick mit nichten wie die ausgemachten Narren aus,
die sie doch sind. Oft manierlich und gut gekleidet […], können
sie sogar durch eine gewisse sterile Urteilsschärfe in belanglosen
Dingen, eine scheinbare Kompetenz in nichtssagenden Details über
ihren vollkommenen Mangel an Verständnis recht glücklich
hinwegtäuschen.“
(aus: „Torschlusstypen“, in: Annette
Kolb: „Wege und Umwege“, Leipzig 1914, S. 301)
„Du weißt: ich hatte mich
von meinen deutschen Landsleuten dadurch vielfach unterschieden,
daß ich immer so stolz darauf war, ihnen anzugehören,
und daß ich im Ausland mit der aufgezogenen Fahne meines Deutschtums
so begeistert herumging. Aber du hast auch gehört, wie unermüdlich
ich ihnen zurief: Die Verschmelzung Eurer Wesensart mit der Eurer
westlichen Brüder ist für das Heil Europas unerläßlich
und die Stunde für eine Anleihe ihrer Qualitäten hat geschlagen.
Denn nicht eher seid Ihr die Berufenen. Jawohl! Ich weiß es
schon, Ihr seid gründlicher, männlicher, Euer Geist ist
weiter ausgebuchtet. Aber Ihr seid die politisch Ungeschulten, die
Unpolitischen par excellence. Ihr versteht es nicht, mit den Franzosen
auszukommen, was noch alle anderen Nationen fertig brachten.“
(aus: Annette Kolb: „Briefe einer Deutsch-Französin“,
Berlin 1916, S. 20/21)
„Die meisten Deutschen sind ja,
was die Franzosen anbelangt, von einer Oberflächlichkeit, die
sonst gar nicht in ihrem Charakter liegt; dafür wird im gegebenen
Fall die Oberflächlichkeit mit entsprechender Gründlichkeit
betrieben[…].“
(aus: Annette Kolb: „Briefe einer Deutsch-Französin“,
Berlin 1916, S. 127)
„Aber je tiefer nach Frankreich
hinein der Boden von den Schritten der als Feinde vordringenden
Deutschen erdröhnte, je fremder, je verbannter fing ich an
mich unter ihnen zu fühlen.“
(aus: Annette Kolb: „Briefe einer Deutsch-Französin“,
Berlin 1916, S. 129)
„Nur indem ich heute in Deutschland
auch die französische Fahne hochhielt, gab ich außerdem
die Gewähr, wie unverbrüchlich treu ich heute in Frankreich
zu der deutschen stünde.“
(aus: Annette Kolb: „Briefe einer Deutsch-Französin“,
Berlin 1916, S. 130)
„Darf die menschliche Ehre ein
Angriffsobjekt im Kriege sein, dürfen Schauermärchen hüben
und drüben die Bestie im Menschen erwecken, so daß der
Glaube an die Menschheit versinkt?[…]Kulturnationen! Es ist
eine Pflicht gegen uns selbst, diesem selbstmörderischen Treiben
ein Ende zu machen und ehrlich zu prüfen, was Lüge, was
Wahrheit ist.“
(aus: „Die Internationale Rundschau und
der Krieg. (Ein unpolitischer Vortrag gesprochen zu Dresden am 15.
Januar 1915), in: Annette Kolb: „Briefe einer Deutsch-Französin“,
Berlin 1916, S. 133)
„Nicht, daß man die schreckliche
Vergangenheit vergaß, aber hier wie überall wollten die
Menschen sich wieder freuen, wieder hoffen. Der Völkerbund
schien eine Garantie des Friedens.[…]Allein, es war keine
Zeit, es war eine trügerische Zwischenzeit. Was sich bereitete,
war eine Hölle in Deutschland. Es war das rätselhafteste,
das die christliche Welt jemals überkam.“
(aus: „Nach dem ersten Weltkrieg“,
in: Annette Kolb: „1907-1964. Zeitbilder“, Frankfurt
a. M. 1964, S. 198)
„Hier aber fühlte man sich
so ungefährdet. Merkwürdig, wie man das fühlt, dachte
ich. Denn nichts lassen sich sehr junge Menschen schneller suggerieren
als den Glauben an die Ungefährlichkeit aller Dinge: ja in
ihrer bereitwilligen Unerschrockenheit liegt etwas, das sie sozusagen
an den Rand der Welt hinaus verweist, als gehörten sie infolge
ihrer Unerfahrenheit nicht ganz in sie hinein.“
(aus: „Spitzbögen“<1925>,
in: Annette Kolb: „Blätter in den Wind“, Frankfurt
a. M. 1954, S. 33)
„Denn von der geistig besitzlosen
Klasse wird das Recht auf eigene Meinung, so wir eine haben, am
längsten angezweifelt und bekämpft; daher einem jungen
Fräulein Niemand die beste Gelegenheit geboten wird, zur Menschenkennerin
heranzureifen.“
(aus: „Spitzbögen“<1925>,
in: Annette Kolb: „Blätter in den Wind“, Frankfurt
a. M. 1954, S. 68)
„Ich bin nie eine Frauenrechtlerin
gewesen und dieser Bewegung gegenüber stets passiv geblieben;
aber ich muß schon sagen: daß nach vielen Dezennien
eines ausschließlichen Männerregiments ein derartig vollendeter
Wirrwarr zutage gefördert wurde, gibt doch zu denken.“
(aus: Annette Kolb: „Briefe einer Deutsch-Französin“,
Berlin 1916, S. 88)
(zusammengestellt von Eileen Simonow) |