„Die Basis aller Toleranz sollte
die Betrachtung sein, daß die verschiedenen Anschauungen desselben
Objekts für die verschiedenen Subjekte, denen sie angehören,
jedesmal wahr sind, wie dies z.B. bei allen Religionen der Fall
ist.“
(aus: „Memoiren einer Idealistin und
ihr Nachtrag: Der Lebensabend einer Idealistin“, <Berlin
1876>, Neue Ausgabe, Berlin 1917, Bd.2, S. 223)
„Etwas zu sein ist das beste Mittel
gegen das etwas scheinen zu wollen.“
(aus. „Memoiren einer Idealistin und
ihr Nachtrag: Der Lebensabend einer Idealistin“, <Berlin
1876>, Neue Ausgabe, Berlin 1917, Bd.2, S. 224)
„Es gehört gewiß zu
den größten moralischen Martern, wenn ein junges Wesen
sich mit Inbrunst zu den unbekannten Regionen des Wissens und des
Ideals hinsehnt und weder Mensch noch Gott findet, um seinen Wunsch
zu erhören und diesen Schrei der Sehnsucht nach dem Manna in
der Wüste zu befriedigen.“
(aus: „Memoiren einer Idealistin und
ihr Nachtrag: Der Lebensabend einer Idealistin“, <Berlin
1876>, Neue Ausgabe, Berlin 1917, Bd.1, S. 25)
„Ich hatte noch die Biegsamkeit
und Empfänglichkeit derjenigen Naturen, die man als liebenswürdig
zu bezeichnen gewohnt ist. Eine solche Natur, in die Form der Ehe
gegossen, nimmt die Gestalt an, die eine andere Individualität
ihr gibt, und bleibt demnach ein abhängiges Geschöpf,
das durch die Augen eines andern sieht und nach dem Willen eines
andern handelt.“
(aus: „Memoiren einer Idealistin und
ihr Nachtrag: Der Lebensabend einer Idealistin“, <Berlin
1876>, Neue Ausgabe, Berlin 1917, Bd.1, S. 56)
„Aber dem entsagen, was das geistige
Leben fördert – sich ausschließen müssen von
den großen Ereignissen des Lebens der Menschheit, von den
Eindrücken, die uns über uns selbst und die Kleinheit
der Existenz erheben – das war für mich stets der untragbarste
Schmerz und schien mir die wahre Sünde gegen den heiligen Geist.“
(aus: „Memoiren einer Idealistin und
ihr Nachtrag: Der Lebensabend einer Idealistin“, <Berlin
1876>, Neue Ausg., Berlin 1917, Bd.1, S. 149)
„[...] ich verdiente mir mein
täglich Brot, ich war eine Arbeiterin wie die Töchter
des Volks, und ich fand wieder, daß nur so das Geld einen
sittlichen Wert hat, indem es Austauschmittel wird zwischen dem,
der Dienste verlangt, und dem, der sie leistet. Ich kam durch die
Praxis auf meine alten Theorieen von der Abschaffung des Erbrechts
zurück, und es schien mir von neuem, als ob die Sittlichkeit
und die menschliche Würde nur dabei gewinnen könnten.“
(aus: „Memoiren einer Idealistin und
ihr Nachtrag: Der Lebensabend einer Idealistin“, <Berlin
1876>, Neue Ausgabe, Berlin 1917, Bd.1, S.298)
„Jeder Erwachsene aber […]
sollte sich durch Arbeit sein Leben selbst verdienen. Welch eine
tiefe und gesunde Revolution würde das in den Sitten, in den
Grundideen des Daseins geben!“
(aus: „Memoiren einer Idealistin und
ihr Nachtrag: Der Lebensabend einer Idealistin“, <Berlin
1876>, Neue Ausgabe, Berlin 1917, Bd.1, S. 298f)
„es ist kein Zweifel, daß
die Gesellschaft nicht nur durch das Wegfallen der falschen Bildung
gewinnen würde, sondern auch durch die erhöhte Zahl starker,
ausgeprägter Individualitäten, die sich gegenseitig um
so mehr interessante Dinge zuzubringen hätten […].“
(aus: „Memoiren einer Idealistin und
ihr Nachtrag: Der Lebensabend einer Idealistin“, <Berlin
1876>, Neue Ausgabe, Berlin 1917, Bd.1, S. 299)
„Glaube ist gerade die Macht des
Gemüts, die etwas, allem Wissen, allem Wollen zum Trotz, festhält.
So gibt es den Glauben an einen Menschen, selbst wenn wir ihn augenblicklich
auf falschen Wegen wandeln sehen, so gibt es den Glauben an eine
metaphysische Welt, trotzdem jede dogmatische Vorstellung zerstört
ist; so gibt es den Glauben an ein Ideal, ungeachtet der Ideallosigkeit
der uns umgebenden Welt. Der Glaube ist das Spontanste, Unzerstörbarste
in dem Gemüt, das gläubig angelegt ist.“
(aus: „Memoiren einer Idealistin und
ihr Nachtrag: Der Lebensabend einer Idealistin“, <Berlin
1876>, Neue Ausgabe, Berlin 1917, Bd.2, S. 214)
„Die Propheten gehen den neuen
Epochen voran, die Philosophen beschließen die alten, ihre
Ären nähern sich demnach einander; deshalb verwechselt
man sie so oft.“
(aus: „Memoiren einer Idealistin und
ihr Nachtrag: Der Lebensabend einer Idealistin“, <Berlin
1876>, Neue Ausgabe, Berlin 1917, Bd.2, S. 340)
(zusammengestellt von Eileen Simonow) |