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Eine radikale Feministin der ersten Stunde war sie nicht. Ihr politischer
Wirkungskreis bezog sich auf die gesellschaftliche Position bürgerlicher
Frauen. Ihnen wollte sie zu qualifizierter Bildung und Ausbildung verhelfen
mit dem Ziel, dass jede Frau ihren Beruf frei wählen und in diesem
Bereich arbeiten könne.
Luise Büchner,
als temperamentvoll charakterisiert und durch einen Unfall gehbehindert,
wird 1821 in Darmstadt geboren. Als fünftes Kind einer durch ihre
Söhne bekannten Familie (ihr ältester Bruder ist der politische
Autor Georg Büchner) eignet sie sich autodidaktisch umfangreiches
Wissen vor allem in Literatur, Mythologie, Geschichte und Fremdsprachen
an. Nach dem Tod der Eltern lebt sie zusammen mit ihrer ebenfalls ledigen
Schwester Mathilde im Haushalt des Bruders und Arztes Ludwig Büchner.
Ihre Freundschaft zum Ehepaar Gutzkow vertieft ihr Interesse für
die zeitgenössische Politik. Später wird sie Privatvorlesungen
über die deutsche Geschichte halten und das Fach in einer Mädchenschule
unterrichten. Sie bekennt sich zu den demokratischen Ideen der Revolution
von 1848/49. Doch ihr Engagement geht in eine frauenpolitische, pädagogisch-journalistische
Richtung. Sie kämpft für die Einrichtung von weiblichen Ausbildungsstätten
und tritt in Wort und Schrift für „Die Frauen und ihr Beruf“ ein.
Diesen Titel trägt ihr erster Bestseller, der 1855 erscheint und
mehrere Auflagen erlebt.
Nach einigen Jahren
publizistischer und schriftstellerischer Arbeit gründet Luise Büchner
1867 mit der späteren Großherzogin Alice von Hessen den ‚Alice-Verein‘,
der die Einrichtung von Ausbildungsschulen für Frauen durchsetzt,
und bleibt bis 1877 dessen Vizepräsidentin. Als Ehrenmitglied des
Lette-Vereins, der ebenfalls die Förderung der Erwerbsfähigkeit
von Frauen unterstützt, ohne jedoch der Gleichberechtigung das Wort
zu reden, vermittelt sie Kontakte zwischen den Vereinen. Während
dieser Zeit erweitert sie ihren Wirkungskreis und publiziert im „Deutschen
Frauenanwalt“, dem Presseorgan des Lette-Vereins.
Schließlich führen Büchners Artikel, Bücher, Erzählungen,
Romane und Märchen zu einem Bekanntheitsgrad, der weit über
regionale Bezüge hinausgeht. Aus Anlass einer Konferenz des preußischen
Kultusministeriums wird sie 1873 als erste Frau gebeten, zu den Unterrichts-
und Erziehungsfragen in der Mädchenschulbildung eine Stellungnahme
vorzulegen. Vier Jahre später stirbt die vielseitige Frauenpädagogin
in ihrer Heimatstadt, auf ihrem Grab befindet sich heute ein Relief.
Mechthilde Vahsen (aus: Wir Frauen. Das feministische Blatt, H. 2,
2001)
[Foto von 1856, Quelle: Heinrich-Heine-Institut]
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