Aus dem Leben meiner Mutter
Hulda Pankok geborene Droste kam am 20. Februar 1895 in Bochum
zur Welt. Ihr Vater war Lehrer aus Passion und schrieb außerdem
für den "Dortmunder Generalanzeiger" die Kolumne
"Der Zahn der Zeit". Die Mutter war Theaterkritikerin
und hatte noch dazu sechs glückliche Kinder, das jüngste
Kind war Hulda.
Sie hatte eine so schöne Kindheit, daß sie glaubte, Bochum
wäre die schönste Stadt der Welt. Der Bergwerksdirektor-Großvater
hatte seiner Tochter ein großes Haus mit herrlichem Garten
geschenkt. Dieser Großvater war seiner Zeit voraus und schickte
seine Tochter Julie Sassenberg als einziges Mädchen auf ein
Jungengymnasium. Sie mußte allerdings auch im Winter zu Fuß
zur Schule gehen, denn der Großvater sagte, wenn die Bergleute
zu Fuß zur Zeche gingen, könne sie nicht mit dem Wagen
an ihnen vorbeifahren.
Hulda Droste ging zur Höheren Töchterschule. Sie studierte
nach dem Abitur in Jena Literatur und Kunstgeschichte. Danach wurde
sie für kurze Zeit Bibliothekarin und richtete in Bochum die
erste Kinderbibliothek ein. Dann kam ihr Bruder, der Verleger Heinrich
Droste, und bat sie, an seiner Zeitung "Düsseldorfer Stadtanzeiger",
später "Der Mittag", mitzuarbeiten. So ging sie 1919
nach Düsseldorf. Sie wurde nun Feuilletonredakteurin, zuständig
für Buch- und Theaterkritik, Geistiges Leben und Frauenbeilage.
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Hulda Droste lernte Otto Pankok durch ein Interview kennen. In ihm
fand sie den Menschen, der zu ihr gehörte. Sie erwarb ihr erstes
Bild von ihm. Es war eine Mondlandschaft. Es hieß "Silberne
Landschaft". 1921 heiratete sie Otto Pankok. 1925 kam Tochter
Eva zur Welt. Nun mußte ein Garten her, mit Sandhaufen und
Schaukel, und Otto und Hulda Pankok bauten das Haus in der Brend'amourstraße
65 in Düsseldorf-Oberkassel. Dieses Haus wurde später
zum Treffpunkt vieler geistiger Menschen.
Neben der Arbeit am "Mittag" wurde Hulda Pankok auch Mitarbeiterin
am Rundfunk. 1929 reiste sie in seinem Auftrag nach Spanien - auf
den Spuren Grecos. Dadurch entstanden 12 Rundfunkvorträge.
Otto Pankok war auch mitgefahren. Er blieb eine Zeitlang in Cadaquès
und malte seine heute sehr bekannten Bilder von den Katalanen, von
Pataran und Patum, Roda, Ramon und Tomasa. Später kam über
diese Zeit das Buch "Stern und Blume" heraus.
In den Jahren 1930 bis 1935 malte Otto Pankok bei den Zigeunern
im Düsseldorfer Heinefeld. Hulda Pankok kämpfte in der
Zeitung gegen immer stärker wachsende Vorurteile, die schließlich
zum Nationalsozialismus führten. Sie war befreundet mit Else
Lasker-Schüler, mit Louise Dumont und vielen geistigen Menschen,
die sie durch ihren Beruf kennenlernte. Else Lasker-Schüler
floh bereits 1933 in die Schweiz, als Nazi-Schreiblinge sie auf
den Kopf geschlagen hatten. Hulda und Otto Pankok besuchten sie
mit ihrer Tochter in Ascona, bevor sie nach Jerusalem auswanderte.
Hulda Pankok bekam 1936 Berufsverbot, Otto Pankok ebenfalls. Durch
ihre Arbeiten wurden sie für das Dritte Reich gefährlich.
Otto Pankok sollte verhaftet werden, Hulda Pankok hat es verhindert.
Sie schrie die Gestapoleute an: "So schlecht seid ihr doch
gar nicht wie die, die euch schicken. Wenn ihr Otto Pankok lange
anschaut, dann könnt ihr ihn nicht mehr mitnehmen. Schaut ihn
euch an!" - Und wirklich, sie ließen Otto Pankok da und
nahmen nur Bilder und Bücher mit.
Danach floh Otto Pankok mit seiner Familie nach Bokeloh im Emsland.
Kurz vor dem Nazikrieg kam ein Schweizer Architekt, gebildet und
vornehm, und brachte es fertig, daß die Familie Pankok ihre
Reisepässe zurückbekam, die man ihr abgenommen hatte.
Dieser Herr Bigler wollte Arbeiten Otto Pankoks in der Schweiz verkaufen,
und die Nazis sollten einen Teil der Kaufsumme in Devisen bekommen.
Und da sie hinter Devisen herwaren, ließen sie die Familie
aus dem Lande.
Dieser Schweizer aber war ein Schwindler und hatte sich die ganze
"Passion" und viele andere Arbeiten von Otto Pankok angeeignet.
Die Blätter der "Passion" hatte er bereits umsigniert.
Dort stand nicht mehr Otto Pankok als Signatur, sondern Walter Bigler.
Die Schweizer Kriminalpolizei jagte sie dem Verbrecher wieder ab.
Da nun aber die Devisen ausblieben, war die Familie Pankok nun illegal
in der Schweiz und mußte, da die Eltern in Saarn wegen der
Sippenhaft gefährdet waren, wieder nach Nazideutschland zurückkehren.
Es gab noch viele schlimme Erlebnisse. Gott sei dank gab es auch
noch einige gute Menschen in Deutschland, die halfen.
In den letzten Jahren wohnte die Familie in einem kleinen, abgebrannten,
notdürftig wieder hergerichteten Bauernhaus bei Pesch in der
Eifel, abseits am Waldrand gelegen. Dort konnte sie auch noch andere
Verfolgte verstecken, wie den Maler Mathias Barz und seine jüdische
Frau, Schauspielerin in Düsseldorf. Otto Pankok sollte noch
zum Volkssturm eingezogen werden. Auch das hat Hulda Pankok verhindert.
Das schönste, was sie erlebte, war das Ende des Dritten Reiches.
Als die Amerikaner kamen, ging Otto Pankok vor das Haus, um dem
amerikanischen Offizier zu erklären, daß die jungen Leute,
die er versteckt gehalten hatte, nicht deutsche Soldaten seien,
vielmehr ein verschleppter Russe und ein verschleppter Pole. Da
ging der Offizier plötzlich auf Otto Pankok zu und fragte:
"Pankok, Sie hier, was machen Sie in dieser Einsamkeit?"
Dieser Amerikaner war wohl der einzige in der amerikanischen Armee,
der sich mit deutscher Kunst befaßt und Otto Pankok an seinen
Selbstbildnissen erkannt hatte.
Der weinte fassungslos, konnte gar nicht wieder aufhören. Hulda
Pankok schüttelte ihn: "So haben wir es uns doch immer
vorgestellt, Amerika, Rußland, Polen und Deutschland an einem
Tisch. Die anderen Völker werden dazukommen, und dann haben
wir unser Weltbild!"
Als der Krieg vorüber war, gründete Hulda Pankok in Düsseldorf
den "Drei-Eulen-Verlag", gab Kunst- und Weltliteratur
heraus. Otto Pankok nahm eine Professur an der Düsseldorfer
Kunstakademie an. Hulda Pankok wurde 1950 von der Ministerin Vida
Tomsic nach Jugoslawien, als Dank für ihre Haltung im dritten
Reich, eingeladen: Sie war der erste deutsche Mensch, der nach dem
Krieg nach Jugoslawien eingeladen wurde. Sie fuhr überall dorthin,
wo in deutschem Namen Böses geschehen war. Einmal sagte sie
in einem Ort einige Dankesworte für die liebevolle Aufnahme.
Ein Kunsthistoriker, der sie begleitete, übersetzte ihre Worte
und ein Musiker verwandelte diese in ein Lied, das Dankeslied einer
deutschen Frau, Hulda Pankok. Es wird noch heute gesungen.
1958, nachdem Otto Pankok seine Professur beendet hatte, zog die
ganze Familie nach Haus Esselt bei Drevenack am Niederrhein, da
die Familie lieber auf dem Lande leben wollte. Otto Pankok lebte
noch acht Jahre lang glücklich in Haus Esselt. Er starb 1966.
Zwei Jahre später eröffnete Hulda Pankok mit ihrer Tochter
Eva das Otto-Pankok-Museum. Sie hatten ein Wirtschaftsgebäude,
das zu dem alten Herrenhaus Esselt gehörte und in dem Otto
Pankok ein Atelier eingerichtet hatte, zu einem Museum ausgebaut.
Bis ins hohe Alter, bis zu ihrem Tod, hat sie sich mit ihrer ganzen
Kraft für die Kunst Otto Pankoks eingesetzt.
Hauptseite
Hulda Pankok über Louise Dumont
Programm ihres Drei Eulen Verlags
Text: Ruth Sandhagen
(Quelle: Dem
Vergessen entgegen. Frauen in der Geistesgeschichte Düsseldorfs.
Lebensbilder und Chroniken. Dokumentation einer Ausstellung des
Frauen-Kultur-Archivs. Neuss 1989)
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