Tag
der Hinrichtung
Plötzensee, den 5. August 1943 Meine Greta! Ich weiß, daß es schwerer
für Dich ist, als wenn Du mit mir gegangen wärst, aber ich muß
mich freuen, daß Du – ich hoffe es – bleibst: für
den Sohn, für alles, was nur in Dir so lebendig ist, ich fühle
es ganz klar voraus, ich weiß, »wie Du leben wirst«,
wenn Du wieder in Freiheit bist: für das, was alle Deine Briefe atmeten.
Gern und für vieles fruchtbar hätte ich weitergelebt, so sinnlich
gegenwärtig ist mir gerade heute so mancher Augenblick mit Dir, mit
Euch – der Feuerkogel! – gewesen. Aber der Sinn eines Lebens
fließt aus ihm selbst, aus allem, was er gewesen ist, wirklich gewesen
ist. Es war mit Dir – ich wiederhole es noch einmal – die
volle Erfüllung. Wie viele Menschen können von sich sagen, daß
sie so glücklich gewesen sind. Was noch? »Nichts blieb, so
wie wir zusammengingen. . .« So war es, als wir und zuletzt sahen,
und so ist es geblieben. Was noch in diesen Stunden zu sagen wäre,
steht in den Briefen an die anderen, ich brauche es nicht zu wiederholen.
Falls ich für die Deinen nicht Zeit und Raum habe, sag ihnen, wie
viel sie mir, insbesondere auch Mutters Briefe, gewesen sind und wie glücklich
ich bin, Dich ihnen erhalten zu wissen.
An den fünfjährigen Sohn Ule Berlin, den 5. August 1943 Mein lieber Sohn Ule! Ich weiß, wie lieb Du mich hast
– denn Deta nanntest Du mich einmal – und Du bist, so groß
und verständig Du bist, noch zu klein, um es ganz zu verstehen, was
ich Dir schreibe, und doch muß ich es Dir sagen, damit Du es einmal
weißt: Du wirst Deinen lieben Vater nicht wiedersehen. So gern hätte
er Dich aufwachsen sehen, er hat Dich auch so lieb, so lieb gehabt, so
viel Schönes wollte er noch mit Dir erleben und Dich lehren: immer,
wenn er etwas las, hat er dabei an Dich gedacht. Aber er weiß, daß
Du ihn, so jung Du noch bist, nie vergessen wirst, er weiß auch,
er hofft, daß alles das, was er Dir nicht sein konnte, Deine gute
Mutter sein, daß Du von ihr, was ich war und wie lieb ich Dich hatte,
erfahren wirst. Deine Mutter – halte sie hoch und vergilt ihr, was
ich auch ihr nicht mehr sein kann. Sie ist das köstlichste Gut, das
ich gewann, sie wird für Dich, wenn sie Dir erhalten bleibt, das
köstlichste sein. Nach ihr Dein lieber, großer Bruder –
nein, Du bist nicht arm, wenn ich jetzt auch von Dir gehe. Wie froh bin
ich, daß Dein Herz mein Bild noch bewahren konnte, Du liebes Glück,
für das ich Deiner Mutter mehr als für alles danke. Ich küsse Dich mit ganzer Vaterliebe
Plötzensee, den 5. August 1943 Mein lieber Sohn! Es ist soweit: In vier Stunden! –
Als Du gegangen warst, hatte ich mir Vorwürfe gemacht, daß
diese Begegnung zu sehr auf Leben gestellt war. Das letzte Mal –
ich sah Dich noch weggehen, Deinen lieben schmalen Rücken. Ich habe
es Dir oft gesagt, ich wiederhole es in dieser Stunde: Du hast mir nur
Freude gemacht, wie ich überhaupt das Glück hatte, in meinen
nahen Menschen das reinste, schönste Menschentum zu erleben. |
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