Gedichte zum Tode Benjamins

B. Brecht, H. Arendt, W. Kraft, P. Mayer

 


Zum Freitod des Flüchtlings W. B.


Ich höre, daß du die Hand gegen dich erhoben hast
Dem Schlächter zuvorkommend.
Acht Jahre verbannt, den Aufstieg des Feindes beobachtend
Zuletzt an eine unüberschreitbare Grenze getrieben
Hast du, heißt es, eine überschreitbare überschritten.

Reiche stürzen. Die Bandenführer
Schreiten daher wie Staatsmänner. Die Völker
Sieht man nicht mehr unter den Rüstungen.

So liegt die Zukunft in Finsternis, und die guten Kräfte
Sind schwach. All das sahst du
Als du den quälbaren Leib zerstörtest.

Bertolt Brecht

 

 


W. B.


Einmal dämmert Abend wieder,
Nacht fällt nieder von den Sternen,
Liegen wir gestreckte Glieder
In den Nähen, in den Fernen.

Aus den Dunkelheiten tönen
Sanfte kleine Melodien.
Lauschen wir uns zu entwöhnen,
Lockern endlich wir die Reihen.

Ferne Stimmen, naher Kummer -:
Jene Stimmen jener Toten,
Die wir vorgeschickt als Boten
Uns zu leiten in den Schlummer.

Hannah Arendt

 

 



Grab in Spanien

(Walter Benjamin)

Ich sehe dich, den Sorgsamen, den Klugen,
Von strengem Werke jäh zu Staub zerfallen.
Um deine Ruhestatt ist ein Wolkenballen,
Und Lenz, wo Herzens Schläge dich erschlugen.
Du rissest Hoffnung aus des Schandbaus Fugen
Kraft junger Satzung, leise und metallen,
In eine Welt voll Quälern und von Quallen –
Was bleibt uns nun als noch ein letztes Lugen

Der Seele nach der Wiederkehr des Gleichen? –
Nimm drum den Spruch in deines Staubes Ohren:
Ich weiß es nicht, warum du mußtest du weichen.
Hier oder dort im Zug der holdern Horen
Wir finden uns, o glaub es deinem Feinde,
Die Opfer als die Stifter der Gemeinde.

Werner Kraft

 

 


Walter Benjamin


So wie ein Alchimist den Stein der Weisen
Hast Du das Wort, hast Du den Wert gesucht.
Drum wirst Du in des Welt-Erhalters Kreisen
Als einer der Gerechtesten gebucht.

In Deiner Hand – wer dies Gebild vergaesse? –
War feinste Wage noch nicht fein genug.
Du schufst Gewicht Dir selber und Gefaesse
Und fuer den eignen Wein den eignen Krug.

Ein Erbe warst Du und zugleich Erneurer,
Von gestern und von morgen die Essenz –
Du warst ein Gruebler und Abenteurer.
(Das ist dasselbe, Wer`s vermag, der trenn`s.)

Dir, spaetem Glanz der hohen Humanisten,
War ganz gemaess Dein gotisches Paris.
Als die Barbaren Ihre Banner hissten,
Da war es Zeit, dass Dich die Welt verstiess.

Jetzt wandelst Du in einem andern Reiche
Und wahlverwandten Geistern bist Du Gast.
Du uebst die Kunst der Rede und Vergleiche
Mit dem Erasmus und dem Theophrast.

Paul Mayer

 
Erarbeitung:
Ute Grasshoff,
Ruth Sandhagen