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Freunde
zum Tod Stefan Zweigs
Th. Mann,
K. Mann, Fr.
Werfel, H. Kesten
Der Selbstmord Stefan Zweigs löste
große Bestürzung in aller Welt aus und besonders unter den
deutschen exilierten Intellektuellen. Seine Handlung wurde von vielen
als Kapitulation vor der nationalsozialistischen Gewalt gewertet, der
er als weltberühmter und privilegierter Autor im fernen Brasilien
gar nicht ausgesetzt war. Seine Freunde bemühten sich um Verständnis
für seine Entscheidung.

Thomas Mann
„Sein Weltruhm war wohlverdient
und es ist tragisch, daß die seelische Widerstandskraft dieses hochbegabten
Menschen unter dem schweren Druck dieser Zeit zusammengebrochen ist. Was
ich am meisten an ihm bewunderte, war die Gabe, historische Epochen und
Gestalten psychologisch und künstlerisch lebendig zu machen.“
Nachruf im „Aufbau“, New York, 27. Februar
1942
Klaus Mann
„Die Nachricht von Stefan Zweigs
Selbstmord in Brasilien kam so völlig unerwartet, dass ich sie zunächst
kaum glauben konnte. Bei Toller war man auf dergleichen vorbereitet; aber
doch nicht bei ihm, der so lebensfroh, ja genießerisch, so verwöhnt
vom Glück, so ausgeglichen, so vernünftig schien! Er hatte Ruhm,
Geld, sehr viele Freunde, eine junge Frau – und warf alles fort
...Warum? In seinem Abschiedsbrief ist vom Krieg die Rede. Der Krieg,
Triumph der Barbarei, Durchbruch zerstörerische Urinstinkte! Dem
Humanisten graut. Ist dies noch seine Welt? Er erkennt sie nicht mehr.
„Ich passe nicht in diese Zeit. Diese Zeit missfällt mir...“
und greift zum Gift. Ruhm, Geld und Freunde lässt er hier zurück;
die junge Frau aber wird mitgenommen.
Ist es so einfach? Ach was wissen wir...“
In „Der Wendepunkt“ 1942
Franz Werfel
Rede zur Trauerfeier Stefan Zweigs
in Los Angeles 1942
„Ja, Stefan Zweig war ein Mann ohne
Zorn. Darum war er auch einer der ganz wenigen echten Pazifisten, die
es gibt. Für ihn bedeutete der Krieg die irdische Hölle, an
die man nur mit Heulen und Zähneklappern denkt. [...]
Es ist nicht zu leugnen, Stefan Zweig floh vor dem Krieg. Er floh vor
dem Kriege in das ferne Brasilien, um dort eines seiner Opfer zu werden.
– In einem seiner letzten Briefe habe ich folgende Zeilen gefunden:
„ Die Leute reden so leicht von Bombardements, wenn ich aber lese,
daß die Häuser zusammenstürzen, stürze ich selbst
mit den Häusern zusammen –“ Sein Tod beweist, daß
diese Worte wahrhaftig nicht übertrieben sind. [...]
Nein, er ahnte, er wusste, es werde und müsse schlimmer werden von
Tag zu Tag. Sein vom humanistischen Optimismus verwöhntes Herz erkannte
urplötzlich die ganze eisige, unlösbare Tragik des Menschen
auf der Erde, die eine metaphysische Tragik ist und daher jedes ausgeklügelten
Heilmittels spottet. Es war in ihm zuletzt nur mehr schwarze Hoffnungslosigkeit,
das Gefühl der Schwäche und ein bißchen ohnmächtige
Liebe. Da nahm er die Welt ernst und sich selbst ernst und die Erkenntnisstufe,
auf der er sich befand.“
Hermann Kesten:
Stefan Zweig, der Freund
Das war nun ein glücklicher Mensch.
Nach sechzig Jahren bringt er sich um.
In einem Abschiedsbrief hat er sich auf ein Leben berufen, das nur geistiger
Arbeit gewidmet war. Mit dem Wort „Freiheit“ auf den Lippen
verließ er eine Welt, die erst anfängt, barbarisch zu werden.
In einem seiner letzten Briefe an mich aus Brasilien, vom 15. Januar 1942,
schrieb er von dem „schönen Mut“, der „sich in
geduld verwandeln müsse bis auf jenes mysteriöse ,Nachher´,
das zu erleben ich eigentlich neugierig wäre.“ (Mit dem „Nachher“
meinte er den Nachkrieg.)
Er schrieb mir anläßlich seines „Montaigne“, an
dem er zuletzt arbeitete: „Mich interessiert vor allem von seinen
Problemen nur das eine, das sich uns allen heute mit gleicher Eindringlichkeit
und Gefährlichkeit wie damals stellt: Wie bleibe ich frei, wie erhalte
ich die Klarheit des Hirns in einer herzlosen und fanatisierten Zeit?“
In vielen Ländern und Literaturen zu Hause, nannte sich Stefan Zweig
am Ende seines Lebens einen „Mann ohne Land“. Ein deutscher
Schriftsteller aus der besten Schule, ein Europäer aus europäischem
Heimatgefühl und Überzeugung, fand er es schwer, ein Weltbürger
zu sein, nachdem er schon in England für eine Weile ein genierter
„feindlicher Ausländer“ war. Als ihn England mitten im
Krieg naturalisierte und ihm einen Reisepaß gab, fuhr er nach Amerika.
Der wie keiner in der Welt sich zu Hause fühlte, starb als ein Ausländer
des Lebens, ein Ausländer auf unserer täglich kleinern und engern
Erde.
Er hatte ein sanftes Herz. Er war ein Freund des Friedens und der Dichter.
Er hatte Millionen Leser und Hunderte Freunde. Er hat ein umfangreiches
Werk hinterlassen und fand immer Zeit, der Entdecker, Ratgeber, Helfer,
Mäzen der jungen Dichter vieler europäischer Länder zu
sein.
Er war ein ängstlicher Mensch mit großem Mut, ein urbaner Millionär
mit Bürgerstolz, er war ehrgeizig und liebte das Noble, und strebte
danach, nobel zu sein, und tat vieles Noble in der Stille, und bewahrte
eine altrepublikanische Abwehr aller offiziellen und Staatsehrungen. Statt
mit einer republikanischen Haltung in aller Öffentlichkeit zu prahlen,
bewies er insgeheim seine stete Hilfsbereitschaft. Der später in
Brasilien ein Staatsbegräbnis erhalten, auf die Anweisung eines Diktators,
hat von Mussolini, der ihm in vorhitlerischen Tagen Ehrungen oder Orden
anbieten ließ, statt dessen die Freiheit zweier antifaschistischer
Italiener erbeten und erhalten. Und als er im Oktober 1940 in Argentinien
gefeiert und vom Außenminister Roca empfangen wurde, erbat sich
Zweig, statt der Ehrungen, die man ihm anbot, nur drei argentinische Visen
für drei deutsche Emigranten, und erhielt sie.
Er war der Sohn des Glücks. Er starb wie ein Philosoph. In seinem
Abschiedsbrief von der Welt hat er noch einmal aufgeschrieben, was ihm
erstrebenswert schien am Leben. Er wollte ein Mann von „Haltung“
sein. Er wollte sich „ein Leben aufbaun“. Seine „lauterste
Freude“ war „die geistige Arbeit“. Das „höchste
Gut“ nannte er „die persönliche Freiheit“. Er charakterisierte
sich: „Ich, allzu Ungeduldiger...“ [...]
Hermann Kesten: „Meine Freunde,
die Poeten“. Frankfurt/M., Berlin, Wien 1980, S. 93f. |
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Erarbeitung:
Daniela Broich,
Caroline Sander |
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