Depressionen und Selbstmordabsichten

Verschiedene Freunde berichten davon, dass Toller wiederholt von Depressionen und Selbstmordabsichten spricht. Fritz Landshoff, der Leiter des Exilverlags Querido, berichtet: „Ich war bestürzt über Tollers Zustand. Er war in einer tiefen Depression. Seine Augen entbehrten jeglichen Glanzes, seine Stimme war fast tonlos. Ich schlug ihm vor, mit mir gemeinsam nach Europa zurückzukehren, in der Hoffnung, dass ein völliger Szenenwechsel vielleicht eine Veränderung seines Zustandes bewirken würde. Toller ging zu meiner Freude auf meinen Vorschlag ein, und wir nahmen sogleich eine gemeinsame Kajüte auf der ’Champlain’, die Ende Mai nach Europa fahren sollte. Ungefähr zehn Tage vor der geplanten Abreise erkrankte ich an einer Fischvergiftung. Am nächsten Tag rief ich Toller von meinem Hotel aus an. Er kam sofort und verbrachte mehrere Stunden bei mir. Er war in der gleichen tiefernst-melancholischen Stimmung, in der ich ihn seit meiner Ankunft gesehen hatte. [...]
Am anderen Tag besuchte mich Arnold Zweig, der gerade für kurze Zeit in New York war, und eröffnete die Unterhaltung mit der Frage: „Was sagen Sie zu Toller?“ Ich erwiderte, dass er am Vortage bei mir gewesen sei. Darauf er: „Aber wissen Sie denn nicht, dass Toller sich heute Mittag in seinem Zimmer erhängt hat?“

Toller selbst schreibt beispielsweise an seinen Arzt Ralph Greenschpoon: „Ich bin bereit mich jedweder Behandlung zu unterziehen, wenn es auch nur die kleinste Chance gäbe, (diese Zusammenbrüche) ein für allemal loszuwerden. Mir kommt es vor als ob ich in guter Verfassung mit meinem Leben und meiner Arbeit vorankomme und dann zurückgeworfen werde und mit allem wieder von vorne zu beginnen habe. Zwischenmenschliche Beziehungen zerbrechen, ich bin außerstande anderen zu helfen, wie ich das in guten Zeiten zu tun versuche. Die Unsicherheit meiner gesamten Existenz wächst. All dies lässt mich schier verzweifeln.“
Seine Frau Christine schildert den Zustand ihres Mannes wie folgt: „Welche Ärzte Ernst Toller aufsuchte und was auch immer man ihm gab zum Schlafen oder Aufleben, nichts hatte die geringste Wirkung. Er rutschte mehr und mehr in seine Depression und fing an, die Welt, seine Zeit, sein Leben und sich selbst anzuklagen. [...] Er konnte schlaflose Nächte durchstehen, in denen er nur weinte, und am nächsten Morgen war er vollkommen normal, sogar heiter, und konnte sich mit anderen Menschen treffen und Vorträge halten. Er konnte stundenlang vor dem Gaskamin sitzen und davon reden, dass er sich das Leben nehmen muß. Jetzt! Wenn ich mit Überredungen nicht mehr weiterkam, ließ ich ihn ruhig den Gashahn aufdrehen und sagte: „Gut, dann nehmen wir uns beide das Leben.“ Nach wenigen Momenten sprang er dann auf und drehte den Hahn selber wieder zu. Immer wiederholte sich diese Szene.“

 

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